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Türchen 19

Verfasst: Montag 19. Dezember 2022, 08:01
von PaRay
Servus zusammen,

überall laufen mehr oder weniger hektisch die Weihnachtsvorbereitungen. Die Jagt nach den letzten Geschenken läuft und die ganze Familie macht mit. Wie konnte es soweit kommen?
Wenn ich weit zurück, in meine Kindheit blicke, war das ganz anders. Die Vorweihnachtszeit war wirklich voller Vorfreude und Spannung. Wir waren 6 Kinder, verteilt über 15 Jahre. Die Weihnachtsgeschenke waren alle selbstgemacht, gemalt, geklebt und gebastelt oder gestrickt. Die Weihnachtsbäckerei lief auf Hochtouren und es war ein besonderes Spiel, die Plätzchen zu stibitzen.
An den Sonntagen ging es zum Adventssingen in die Kirche und vielleicht auch auf einen Weihnachtsmarkt. Die Buden sehe ich noch heute vor mir, vielleicht weil es damals zur Weihnachtszeit auch noch jede Menge Schnee gab (in Aachen).

Der Heilige Abend war etwas ganz Besonderes. Schon in der Früh war das Wohnzimmer abgesperrt und tabu. Am frühen, aber schon dunklem Abend ging es zur Christmette. Das Kirchenschiff war fast finster und als alle still waren, kam der Pfarrer mit seinen Ministranten durch den Mittelgang und brachten das Licht. Es war sehr ergreifend. Am Ende war die ganze Kirche hell erleuchtet von unzähligen Kerzen, Chor und Orgel verzauberten alles. An der Kirchentür konnten wir eine mitgebrachte Kerze anzünden um das Licht mit nach Hause zu nehmen.

Daheim angekommen, standen wir dann vor der Wohnzimmertür und warteten. Wir warteten, bis wir ein Glöckchen hörten. Die Tür öffnete sich und wir sahen einen prächtigen geschmückten Baum, im Glanz der Kerzen. An seinem Fuß langen, rechts und links von der Krippe, die Geschenke. Nur gucken, nicht anfassen! – Erst wurde zusammen gesungen und musiziert. Die Erinnerung an die piepsigen Flötentöne ist allerdings eher schmerzlich. Dann endlich war das lange warten zu Ende und wir durften auspacken und Kekse futtern, wie wir wollten.

Meine Geschwister und ich, wir hatten diese Art der Weihnacht auch weitgehend gefeiert, doch bei meinen Nichten und Neffen ist davon nicht mehr viel übrig. Der Weihnachtsbaum wird zusammen mit den Kindern geschmückt, die Wunschliste teilweise mit den Kindern diskutiert und abgearbeitet.
Bei Mediamarkt hatte ich Familienverbände gesehen, wo die Eltern mit ihren Kindern zusammen die Geschenke gekauft hatten. Oh du fröhliche :-(

Ich bin mir aber sicher, dass es so etwas bei euch, als leidenschaftliche Holzwerker, nicht gibt. :-D
Freut euch auf das Stauen der Beschenkten, die euer selbstgemachtes Auspacken.
In diesem Sinne, schöne Weihnachten!

Paul

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Re: Türchen 19

Verfasst: Montag 19. Dezember 2022, 08:16
von Faulenzer
Paul, so ändern sich die Zeiten. Leider nicht immer zum Besseren.

:danke: für dein Türchen mit schöner Geschichte

Re: Türchen 19

Verfasst: Montag 19. Dezember 2022, 08:32
von Erick
Danke Paul !

Re: Türchen 19

Verfasst: Montag 19. Dezember 2022, 08:43
von DirkM
Paul, wahre Worte in einer Zeit des Überflusses.

Einfache Bauklötze von meinem Vater selbst gemacht und in grossen Säcken gebracht,haben mich Jahre der Kindheit begleitet und sind mir auch heute noch in lebendiger Erinnerung.
Daran kam keines der späteren weitaus teureren Geschenke auch nur ansatzweise heran.
Mir wurde Zeit geschenkt und für mich Zeit aufgebracht.Nur um mir eine Freude zu machen.

Hätte ich nur mehr davon !
Gruß Dirk

Re: Türchen 19

Verfasst: Montag 19. Dezember 2022, 09:11
von Derfla
Ja, Paul, so war das, und das war schön, weil familiäre und sicherlich auch religiöse Werte im Vordergrund standen. Danke für deinen persönlichen Bericht. Zum Glück haben sich aber tatsächlich doch einige Familien ganz viel davon in das Hier und Jetzt bewahrt.
Und nun zu den Holzwerkern…mein Vater arbeitete in einer Eisengießerei :Sauer: … und da gab es dann gerne mal Geschenke aus dem, was man hatte….. Gusseisen….. so gab es an einem Heiligen Abend eine Eisenbahn ( LOK mit 5 offenen Anhängern) aus zwar sehr dünnem aber trotzdem sehr schweren Gusseisen. Die Lok hatte die Größe einer großen Küchenmaschine…
Später gab es dann eine Straßenwalze , noch etwas größer…. die war bei unseren Straßenbauprojekten auf Baugrundstücken natürlich unschlagbar. Aber ich habe alles geliebt und bin immer noch berührt, wieviel Arbeit sich unsere Eltern damals gemacht haben, um mit kaum vorhandenen Mitteln große Weihnachtsfreude zu schenken. Später habe ich erfahren, dass diese Großfahrzeuge tatsächlich in Kleinserien „Nach Feierabend :prost:“ gegossen wurden und bei etlichen Familien unter dem Tannenbaum standen.
Herzliche Grüße
Alfred

Re: Türchen 19

Verfasst: Montag 19. Dezember 2022, 09:23
von Fischkopp
Moin Paul,
Kommt mir sehr bekannt vor deine Geschichte :-D
so ähnlich lief es in meiner Kindheit auch immer.
:danke:
für die schöne Geschichte...
Gruß
Alois

Re: Türchen 19

Verfasst: Montag 19. Dezember 2022, 10:44
von Maggus
Guten Morgen,

sehr ähnlich verlief es in meiner Kindheit und selbst heute mit eigenen Kindern verläuft es noch recht ähnlich. Nur für den Messebesuch sind die Großeltern zuständig ;-)
Danke für das Hervorholen der Erinnerungen.

Gruß,
Markus

Re: Türchen 19

Verfasst: Montag 19. Dezember 2022, 11:07
von joschone
So war das Früher und es war viel, viel schöner! :Sauer:

Re: Türchen 19

Verfasst: Montag 19. Dezember 2022, 11:44
von c.w.
Danke Paul
So oder so ähnlich war es wohl bei den meisten von uns.
Unsere Kinder sind groß, die wünschen sich oft nur
Selbst gebacke Kekse, da muss ich also nochmal die Ausstechförmchen raussuchen. :-D

Re: Türchen 19

Verfasst: Montag 19. Dezember 2022, 13:32
von Ritschi
Servus Paul,
das ist eine sehr schöne Geschichte die der Wahrheit sehr nahe kommt.
Danke für die Erinnerung an die schöne Zeit.
:.: :.: :.:

Re: Türchen 19

Verfasst: Montag 19. Dezember 2022, 14:43
von Buddeline
Hallo Paul!

Ich zähle vielleicht ja noch zu den Jüngeren hier im Forum. Aber, ja du hast völlig recht. Die Gepflogenheiten zu Weihnachten haben sich verändert.
Als ich KInd war, ist mein Papa mit mir und meinen Brüdern nach dem Kaffeetrinken immer raus gegangen und wir haben einen ewig langen Spaziergang machen müssem.
Da hieß es öfters von uns Kindern: Papa, wenn wir jetzt nicht schnell nach Hause gehen, dann kommt der Weihnachtsmann und wir sind nicht da und bekommen keine Geschenke.
Geendet hat dann der Heilig Abend so, dass wir irgendwann durchgefroren nach Hause gekommen sind, der Weihnachtsmann war schon dagewesen. Aber er hat die Geschenke glücklicherweise da gelassen, obwohl keiner (ausser Mama) zu Hause war. Aber die hat ihn angeblich nie gesehen. ;-)

Danke für dein Türchen
Katharina

Re: Türchen 19

Verfasst: Montag 19. Dezember 2022, 17:36
von GärtnermeisterD
Hallo Paul!
Da hast du durchaus recht, das sich alles verändert hat.
Vielleicht war diese Spannung und Aufgeregtheit damals bei uns Kindern sehr hoch. Für die Eltern von damals vielleicht schon nicht mehr so. Jetzt sind wir in der Rolle der Eltern und zumindest wir versuchen unseren Kindern ein wenig Tradition nahe zu bringen. Einmal in der Adventszeit wird bei uns im Dorf "Rudelsingen" angeboten. Und an Heiligabend gehen meine Frau und die Jungs mit Oma in die Kirche. Ich darf dann das Wohnzimmer vorbereiten und die Ankunft des Weihnachtsmannes leider verschlafen... :evil:
Dir ein herzliches Dankeschön für das Türchen und euch allen eine frohe Weihnachtszeit!
Gruß, Daniel

Re: Türchen 19

Verfasst: Montag 19. Dezember 2022, 17:51
von badener
Hallo Paul,

...durch deine Geschichte kommen auch mir viele Erinnerungen hoch. Viele Episoden die du beschrieben hast sind,
glaube ich in vielen Familien , genau so " passiert " . Bestimmt haben es viele hier im Forum, die Mitte des vergangenen Jahrhunderts
geboren sind, ähnlich erlebt. Und die, so wie ich , in einem kleineren Dorf aufgewachsen sind, kannten einfach nichts anderes.
Ich denke gerne zurück, es war alles nicht so hektisch wie heute.
Gottseidank wird nicht überall der Kommerz so hoch gestellt, und man besinnt sich auch in jungen Familien wieder mehr auf den Sinn
und das Wesentliche an Weihnachten.

Wir wünschen allen frohe besinnliche Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue Jahr

Christel und Fritz

Re: Türchen 19

Verfasst: Montag 19. Dezember 2022, 17:56
von Burgberger
Griaß di Paul,
du hast es auf den Punkt getroffen - vielen Dank für das Türchen.
Allen noch eine Stressfreie restliche Adventszeit und frohe Weihnachten
Dieter

Re: Türchen 19

Verfasst: Montag 19. Dezember 2022, 19:01
von Colt 45
Hallo Paul,

auch ich fühle mich bei deiner Erzählung von früher,
zurück versetzt in meine Kindheit. Wir waren fünf
Kinder , und es lief in etwa genauso ab wie bei Euch.
Sehr schön das noch andere so empfinden. :.: :.: :.:

Schöne Grüße aus Rheinhessen
Josef

Re: Türchen 19

Verfasst: Montag 19. Dezember 2022, 19:18
von Mali
Hallo Paul,
vielen Dank für Dein Türchen :danke:
Wir versuchen die Traditionen noch aufrecht zu erhalten und dieses Jahr,
vielleicht das letzte mit den "Kindern", wird es auch hoffentlich noch gelingen.
Das Baumschmücken haben die Kinder mit Ihrer Volljährigkeit übernommen aber
auch erst dann, voher hat den Baum immer das Christkind gebracht.
Leider ist eine für uns sehr wichtige Tradition, das Spielen der Feuerwehrbläser in unserer
Straße auf Heiligabend, abgesagt worden! Stattdessen fährt man jetzt lieber mit Blaulicht und
beleuchteten Feuerwehrautos durch die Straßen....
Liebe Grüße
Barbara

Re: Türchen 19

Verfasst: Montag 19. Dezember 2022, 20:37
von Benno
Hallo Paul,
ich musste echt laut lachen, als ich deinen Beitrag eben gelesen habe. Es war bei uns fast ganz genauso. Und ich habe es riesig genossen, auch wenn ich fast geplatzt wäre vor Anspannung.
Danke für die Einblicke :danke:

Re: Türchen 19

Verfasst: Montag 19. Dezember 2022, 23:59
von Josch
:danke: Paul, für dein erinnerndes Türchen. Wir halten es fast genau so, mit unseren Kindern, wie wir es selbt erlebt haben. Spannend soll es so lange wie möglich bleiben. Aber etwas flexibler. Den Baum haben wir zusammen vom Förster geholt und dann zusammen aufgestellt und teilweise geschmückt. Das war für uns alle schon sehr schön. An den Weihnachtsmann haben wir und auch unsere Kinder nie glauben müssen.

Re: Türchen 19

Verfasst: Dienstag 20. Dezember 2022, 09:04
von Rustikus
Hallo Paul,

deine Weihnachtsgeschichte erinnert mich an viele Traditionen, die ich bei meinen Elternn und Großeltern kennen und lieben gelernt habe. Die Tage von Advent bis Epiphanias waren die aufregendsten, spannendsten, schönsten des Jahres für mich und meine vier Geschwister. Auch wenn wir heute mit unsern Kindern und Enkeln versuchen, diese Zeit ähnlich zu verbringen und ganz viele der alten Traditionen gleich oder so ähnlich wie früher zelebrieren, so sind doch diese kindliche Freude, die frohe Erwartung des Kommenden und das glückliche Staunen einem mehr sachlich-nüchternen Tun gewichen. Manchmal blitzt es noch auf, wenn ich z.B. sehe, wie ein kleines Enkelkind mit großen Augen vor der sich drehenden Pyramide sitzt. Oder wenn jemand kommt und so ein schönes 19. Türchen öffnet.
Hab Dank dafür, Paul.

Freundl. Grüße,
Bernhard