Adventskalender 9
Verfasst: Mittwoch 8. Dezember 2021, 23:34
„Der Friede der Welt beginnt in den Herzen der Menschen“, hat der große Philosoph Karl Jaspers erkannt. Diese Erkenntnis ist universal und gewiss nicht absichtslos von Barbara in ihrem Aufruf für die Adventstürchen 2022 verwendet worden. Ich erlaube mir nicht nur ein Türchen, sondern gleich zwei Türchen zu öffnen, Weshalb? Weil die Welt immer zweispältig ist. Einerseits und andererseits, weil das Glas immer halbvoll oder halb leer ist. Die Zukunft kann besser oder noch schlimmer werden... Und sie steht immer in einer Beziehung zur Vergangenheit. Deshalb blicke ich auch erst einmal zurück.
Türchen eins mit Blick zurück
Stand Dezember 2021. Immer mehr Menschen erkranken an der heimtückischen Infektionskrankheit Covid 19. Trotz intensiven Einsatzes von Menschen und Medizintechnik sterben immer mehr Patienten, allein in Deutschland bislang über 100 000, weltweit sind es Millionen Opfer. Es scheint als hätten wir uns daran gewöhnt, dass täglich mehrere hundert Menschen ihr Leben verlieren, so viel wie beim Absturz eines vollbesetzten Interkontinental-Flugzeuges. Und ungeachtet dieser Schreckensmeldungen weigern sich Menschen den gegenwärtig einzig möglichen Schutz vor dem Virus zu nutzen. Sie vereiteln durch ihren Fatalismus oder ihre Ignoranz oder ihre Stupidität diese Seuche dauerhaft niederzuringen, deren Wirkung an die früheren Pest-Katastrophen erinnert.
Und jetzt zu uns Drechslerinnen und Drechslern und anderen Holzfreunden. Die zwei vergangenen Jahre waren markiert von Unsicherheit und Verzicht. Zusammenkünfte aller Art mussten abgesagt oder auf ungewisse Zeit verschoben werden, Ausstellungen war nicht möglich. Der wirkliche Verlust aber war für uns nicht wirtschaftlich, sondern emotional spürbar. Drechsler-Stammtische virtuell am Bildschirm daheim sind gutgemeinte, dennoch hilflose Krücken sozialer Interaktion. Wir Menschen sind trotz allumfassender digitaler Umwelt und Ausbildung im Kern immer noch analog konditioniert. Ich will und kann nicht verzichten auf Kontakte mit Menschen, direkt von Angesicht zu Angesicht.
In diesem Frühsommer haben wir verzichten müssen auf ein Ereignis, das viele von uns freudig erwartet haben und an dessen Planung und Vorbereitung viele Frauen und Männer beteiligt waren: ich meine das 9. Internationale Drechslertreffen im Freilichtmuseum Hessenpark in Neu-Anspach.
Soweit die wenig tröstliche Vergangenheit und Gegenwart. Deshalb entriegel ich die zweite Tür und blicke hoffnungsvoll in die Zukunft.
Türchen zwei mit Blick voraus
Wirklich rosig leuchtet das neue Jahr nicht. Wir müssen schon alle Reserven an Zuversicht und Glauben aktivieren, um einen Sturz in die Depression zu verhindern. Die Reserven in der Drechslerszene sind aber vorhanden, wie wir im Sommer erlebt haben, als verheerende Wasserfluten im Rheinland Existenzen zerstörten. Drechslerinnen und Drechsler fühlten solidarisch und waren und sind hilfsbereit. Hier hat sich Karl Jaspers Erkenntnis als Gebot bewiesen.
Deshalb liebe Freunde, fassen wir Mut und Kraft, in den nächsten Wochen und Monaten mit klarem Verstand die Pandemie zu bekämpfen. Durch aktives Handeln einerseits (impfen, impfen und nochmals impfen) und durch Kontaktverzicht (leider, leider).
Und wenn uns das gelingt, werden wir uns in großer Zahl und wohlbehalten vom 17. bis 19. Juni 2022 zum großen Treffen der Drechsler im hessischen Freilichtmuseum Hessenpark wieder- oder erstmals sehen. Ralph Holzer, umtriebiger Organisator, Moderator und Macher, arbeitet unverdrossen an diesem Projekt. Nicht allein, sondern als Netzwerker mit vielen Hobbydrechslern weltweit, mit neuen und alten Fachhändlern und natürlich mit der Museumsleitung.
Wenn es denn stattfinden kann, dann in einem noch größeren und komfortableren Umfang als 2011. Der gigantische Fruchtspeicher, den wir vor elf Jahren für Ausstellungen und Vorträgen nutzten, ist in den letzten drei Jahren komplett entkernt und mit Millionenaufwand saniert worden. Wir Drechsler werden die ersten sein, die dieses historisch bedeutsame Bauwerk aus Eichenholz, Lehm und Sandstein für eine Großveranstaltung nutzen können. Weitere überdachte Plätze werden uns diesmal zur Verfügung stehen. Und ganz wichtig: Die Infrastruktur der Gastronomie wurde spürbar verbessert.
Die bisherigen internationalen Treffen der Drechsler und Drechslerinnen wurden initiiert vom „Gelben Forum“, mittlerweile aber auch vom „Blauen Forum“ mitgetragen. Es gibt keine Konkurrenz, sondern nur eine wechselweise Ergänzung.
Hobbydrechsler waren und sind Internationalisten. Das wird bei dem Treffen 2022 noch deutlicher als bislang spürbar sein. Den weitesten Weg wird Eiko Tanaka aus Japan haben; sie zeigt ihre Drechseltechnik, die so völlig anders ist als unsere europäische Technik. Ein Dutzend Drechsler aus europäischen Ländern haben ebenfalls versprochen, ihre Handwerkskunst vorzuführen.
Ist das nicht eine tolle Verheißung in den letzten Tages eines Jahres voller Lähmung, Katastrophen und globalen Zukunftsängsten?
Das zweite Türchen verspricht auch eine Wiederbelebung der für uns essentiell wichtigen Stammtische und die Chance, auf Märkten und in Ausstellungen wieder unsere Werke zeigen und vermarkten zu können. Unternehmen wir alles, damit wir uns als durch Hölzer, Werkzeuge und Maschinen herzlich verbundene Menschen bald wieder begrüßen können.
Liebe Freunde,
nachdem ich euch mit diesem langen Text belastet habe, zeige ich euch Fotos von zwei kleinen Müslischalen, mit denen ich Drechselanfängern die Seele von heimischen Hölzern erkläre. Beide Schalen stammen aus ein und denselben Stamm einer Scheinzypresse (Lawsoniana), einmal aus Querholz und einmal aus Längsholz.
Die aus Längsholz ist wie prognostiziert nach drei Tagen längs gerissen, die andere dagegen stabil geblieben. Wir Holzhandwerker erleben immer wieder, das unser Lieblingswerkstoff nur durch begreifen (und zwar buchstäblich mit unseren Händen) und mit unseren Augen verstanden werden kann. Diese beiden Müslischalen verkürzen die Erklärungen erheblich, sie helfen Begriffe der Schnitttechnik zu verstehen, also den Unterschied zwischen der (Holz)faser und der Fase der Röhre oder des Meißels. Manchmal übertreibe ich die Wortspielerei mit der belegbaren Behauptung, dass die Arbeit an der Drechselbank die schönste Phase im Leben eines Menschen sein kann.
Türchen eins mit Blick zurück
Stand Dezember 2021. Immer mehr Menschen erkranken an der heimtückischen Infektionskrankheit Covid 19. Trotz intensiven Einsatzes von Menschen und Medizintechnik sterben immer mehr Patienten, allein in Deutschland bislang über 100 000, weltweit sind es Millionen Opfer. Es scheint als hätten wir uns daran gewöhnt, dass täglich mehrere hundert Menschen ihr Leben verlieren, so viel wie beim Absturz eines vollbesetzten Interkontinental-Flugzeuges. Und ungeachtet dieser Schreckensmeldungen weigern sich Menschen den gegenwärtig einzig möglichen Schutz vor dem Virus zu nutzen. Sie vereiteln durch ihren Fatalismus oder ihre Ignoranz oder ihre Stupidität diese Seuche dauerhaft niederzuringen, deren Wirkung an die früheren Pest-Katastrophen erinnert.
Und jetzt zu uns Drechslerinnen und Drechslern und anderen Holzfreunden. Die zwei vergangenen Jahre waren markiert von Unsicherheit und Verzicht. Zusammenkünfte aller Art mussten abgesagt oder auf ungewisse Zeit verschoben werden, Ausstellungen war nicht möglich. Der wirkliche Verlust aber war für uns nicht wirtschaftlich, sondern emotional spürbar. Drechsler-Stammtische virtuell am Bildschirm daheim sind gutgemeinte, dennoch hilflose Krücken sozialer Interaktion. Wir Menschen sind trotz allumfassender digitaler Umwelt und Ausbildung im Kern immer noch analog konditioniert. Ich will und kann nicht verzichten auf Kontakte mit Menschen, direkt von Angesicht zu Angesicht.
In diesem Frühsommer haben wir verzichten müssen auf ein Ereignis, das viele von uns freudig erwartet haben und an dessen Planung und Vorbereitung viele Frauen und Männer beteiligt waren: ich meine das 9. Internationale Drechslertreffen im Freilichtmuseum Hessenpark in Neu-Anspach.
Soweit die wenig tröstliche Vergangenheit und Gegenwart. Deshalb entriegel ich die zweite Tür und blicke hoffnungsvoll in die Zukunft.
Türchen zwei mit Blick voraus
Wirklich rosig leuchtet das neue Jahr nicht. Wir müssen schon alle Reserven an Zuversicht und Glauben aktivieren, um einen Sturz in die Depression zu verhindern. Die Reserven in der Drechslerszene sind aber vorhanden, wie wir im Sommer erlebt haben, als verheerende Wasserfluten im Rheinland Existenzen zerstörten. Drechslerinnen und Drechsler fühlten solidarisch und waren und sind hilfsbereit. Hier hat sich Karl Jaspers Erkenntnis als Gebot bewiesen.
Deshalb liebe Freunde, fassen wir Mut und Kraft, in den nächsten Wochen und Monaten mit klarem Verstand die Pandemie zu bekämpfen. Durch aktives Handeln einerseits (impfen, impfen und nochmals impfen) und durch Kontaktverzicht (leider, leider).
Und wenn uns das gelingt, werden wir uns in großer Zahl und wohlbehalten vom 17. bis 19. Juni 2022 zum großen Treffen der Drechsler im hessischen Freilichtmuseum Hessenpark wieder- oder erstmals sehen. Ralph Holzer, umtriebiger Organisator, Moderator und Macher, arbeitet unverdrossen an diesem Projekt. Nicht allein, sondern als Netzwerker mit vielen Hobbydrechslern weltweit, mit neuen und alten Fachhändlern und natürlich mit der Museumsleitung.
Wenn es denn stattfinden kann, dann in einem noch größeren und komfortableren Umfang als 2011. Der gigantische Fruchtspeicher, den wir vor elf Jahren für Ausstellungen und Vorträgen nutzten, ist in den letzten drei Jahren komplett entkernt und mit Millionenaufwand saniert worden. Wir Drechsler werden die ersten sein, die dieses historisch bedeutsame Bauwerk aus Eichenholz, Lehm und Sandstein für eine Großveranstaltung nutzen können. Weitere überdachte Plätze werden uns diesmal zur Verfügung stehen. Und ganz wichtig: Die Infrastruktur der Gastronomie wurde spürbar verbessert.
Die bisherigen internationalen Treffen der Drechsler und Drechslerinnen wurden initiiert vom „Gelben Forum“, mittlerweile aber auch vom „Blauen Forum“ mitgetragen. Es gibt keine Konkurrenz, sondern nur eine wechselweise Ergänzung.
Hobbydrechsler waren und sind Internationalisten. Das wird bei dem Treffen 2022 noch deutlicher als bislang spürbar sein. Den weitesten Weg wird Eiko Tanaka aus Japan haben; sie zeigt ihre Drechseltechnik, die so völlig anders ist als unsere europäische Technik. Ein Dutzend Drechsler aus europäischen Ländern haben ebenfalls versprochen, ihre Handwerkskunst vorzuführen.
Ist das nicht eine tolle Verheißung in den letzten Tages eines Jahres voller Lähmung, Katastrophen und globalen Zukunftsängsten?
Das zweite Türchen verspricht auch eine Wiederbelebung der für uns essentiell wichtigen Stammtische und die Chance, auf Märkten und in Ausstellungen wieder unsere Werke zeigen und vermarkten zu können. Unternehmen wir alles, damit wir uns als durch Hölzer, Werkzeuge und Maschinen herzlich verbundene Menschen bald wieder begrüßen können.
Liebe Freunde,
nachdem ich euch mit diesem langen Text belastet habe, zeige ich euch Fotos von zwei kleinen Müslischalen, mit denen ich Drechselanfängern die Seele von heimischen Hölzern erkläre. Beide Schalen stammen aus ein und denselben Stamm einer Scheinzypresse (Lawsoniana), einmal aus Querholz und einmal aus Längsholz.
Die aus Längsholz ist wie prognostiziert nach drei Tagen längs gerissen, die andere dagegen stabil geblieben. Wir Holzhandwerker erleben immer wieder, das unser Lieblingswerkstoff nur durch begreifen (und zwar buchstäblich mit unseren Händen) und mit unseren Augen verstanden werden kann. Diese beiden Müslischalen verkürzen die Erklärungen erheblich, sie helfen Begriffe der Schnitttechnik zu verstehen, also den Unterschied zwischen der (Holz)faser und der Fase der Röhre oder des Meißels. Manchmal übertreibe ich die Wortspielerei mit der belegbaren Behauptung, dass die Arbeit an der Drechselbank die schönste Phase im Leben eines Menschen sein kann.