Adventskalenter Türchen 21
Verfasst: Samstag 21. Dezember 2024, 06:21
Eine wahre Nikolaus – Advents Kurzgeschichte
(die zu unpassender Jahreszeit statt fand)
Es war Sommer 1956, eine Zeit in der die Kinder noch „Verstecken“ und nicht Nitendo oder Game Boy spielten. Ach ja, da war noch ein kleiner Junge, der gerade mal gut 5 Jahre alt war und in einer gut bürgerlichen Familie aufwuchs. Es war die Zeit, in der noch Kultur und keine Handy-Manie herrschten. Das Telefon war was Angesehenes; es hatte den Status eines schwarzen Bügel-Hörer-Kastens, der entweder in Korridoren an der Wand montiert, oder als Topfpflanzenersatz einen zentralen Standort in vielen Wohnzimmern einnahm. So ein schwarzes Edison-Gerät, noch nicht iPhone, stand bei uns im Wohnzimmer etwas links, schräg gestellt auf der Fensterbank, als wollte es an jedem Gespräch das in diesem Wohnzimmer geführt würde, teilhaben. Man diskutierte zu dieser Zeit mit Respekt und Achtung, da man als „Kleiner Mann“ die elterlichen Vorbilder noch sehr ernst nahm, und sie nicht durch 4-Letter Words ersetzte! So kam es auch vor, dass bei einer jugendlich eingeschlagenen Fensterscheibe der Nikolaus ins Familiengespräch mit einbezogen wurde, damit sein grosses Buch im kommenden Advent auch nichts vergessen würde.
Nun ja, es war Sommer, und im Hinterkopf waren eher Gedanken wie man dem Nachbarn die Milch aus dem Milchkasten verstecken könnte, als dass man ans Verse-Lehren für den Nikolaus dachte. Und genau an so einem schulfreien Mittwochnachmittag klingelte dieser ominöse schwarze Gabelkasten mit Höreraufsatz. Da ja zu dieser Zeit noch Zucht und Ordnung herrschte, bestand eine genaue Rangordnung, wer wann für den Ohrmuschelkontakt verantwortlich war; zuerst Vater – dann Mutter -------und ganz zuletzt dann Sohnemann, wenn er dazu aufgefordert wurde, den Hörer abzunehmen!
Aus der Küche kam die Aufforderung: „Ich bin am Teller reinigen, nimm bitte den Hörer ab!“
Also kletterte ich auf den gut bürgerlichen Ohrenfauteuil, der vor der Fensterbank stand, griff nach dem Hörer und meldete mich wie gelehrt: „Grüezi, da ist Daniel F“.
Nun tönte es aus dem damals überschweren Hörgerät: „Sali, gib mir den Papa, es geht um die Sommer-Regatta!“
Ich glaube, in diesem Moment erfuhr ich das erste Mal was Adrenalin war. Ich liess den Hörer fallen, rannte in die Küche und sagte kreidenweiss zu meiner Muter:
„Der Nikolaus ist am Telefon“!
Einige Jahre später erzählte mir meine Mutter die Geschichte, als mein Nikolaus-Interesse dem Mofa-Interesse gewichen war. Der Mann der damals anrief, war Hans-Ruedi W., der Vizepräsident des Ruderclubs RIZ, bei dem zu jener besagten Vorsommer-Adventszeit mein Vater Präsident war. Als Vize war Hans-Ruedi auch ein guter Freund meines Vaters. Und als Freund und Helfer spielte er die letzen zwei Jahre zuvor bei mir zu Hause den Nikolaus, vor dem ich einen heiden Respekt hatte und immer meine Verse aufsagen musste. Und genau dieser Mann mit weissem Bart kam am letzen 6. Dezember zu mir und redete mir ins Gewissen, was ich immer für eine Unordnung in meinem Zimmer hätte. Das Tüpfelchen der Ungezogen an jenem 6. Dezember aber war, dass alle Anwesenden an diesem besagten Abend auf das Nachtessen warten mussten, bis der Nikolaus mit Knecht Ruprecht kam, obwohl feine, frische Schinkenhörnchen auf dem Tisch standen, und ich so gerne eines gegessen hätte, was mir aber aus Nikolausgründen untersagt wurde. Dann polterte es an der Türe, der Nikolaus und der Ruprecht traten ein, der Nikolaus drehte schweigend zwei Runden um den Stubentisch, und dann griff der freche Bartmann einfach zu, ohne zu fragen!!!! „Ich habe einfach Hunger und muss zuerst etwas feines essen“, sagte er. Und ich? Ich fragte doch und durfte nicht und er durfte und fragte doch nicht? Und mir dann noch meine Unordnung vorhalten? Was ist das denn für ein Mann? Mit diesem Widerspruch dieses Nikolauslausabends prägte sich bei mir die Stimme des Bärtigen bis ins innerste ein.
Natürlich legte Hans-Ruedi W. in diesem besagten Sommer den viel zu heissen Bart ab, und lebte die Rolle des Vizes, ohne an die Nikolaus-Zeit zu denken. Ganz unbewusst liess die Stimme mit der kommenden Sommer Ruder-Regatta den Widerspruch wieder aufleben: Warum darf der Nikolaus und ich nicht?
Auch wenn ich später über diese kleine Geschichte herzlich lachen konnte, das heisst lachen über mich selber, blieben doch einige Lehren für mich zurück:
- Nicht jeder der Hunger nach Schinkenhörnchen hat, darf essen!
- Wenn einer einfach ein Schinkenhörnchen stiehlt ist das nicht gleich schlimm, wie Unordnung im eigenen Zimmer zu haben!
- Begegne jedem Telefonanruf mit Respekt, es könnte der Nikolaus sein!
In diesem Sinne
Frohe Advents-Zeit
Daniel
P.S. Danke Mali, dass ich das Türchen heute gestalten durfte
(die zu unpassender Jahreszeit statt fand)
Es war Sommer 1956, eine Zeit in der die Kinder noch „Verstecken“ und nicht Nitendo oder Game Boy spielten. Ach ja, da war noch ein kleiner Junge, der gerade mal gut 5 Jahre alt war und in einer gut bürgerlichen Familie aufwuchs. Es war die Zeit, in der noch Kultur und keine Handy-Manie herrschten. Das Telefon war was Angesehenes; es hatte den Status eines schwarzen Bügel-Hörer-Kastens, der entweder in Korridoren an der Wand montiert, oder als Topfpflanzenersatz einen zentralen Standort in vielen Wohnzimmern einnahm. So ein schwarzes Edison-Gerät, noch nicht iPhone, stand bei uns im Wohnzimmer etwas links, schräg gestellt auf der Fensterbank, als wollte es an jedem Gespräch das in diesem Wohnzimmer geführt würde, teilhaben. Man diskutierte zu dieser Zeit mit Respekt und Achtung, da man als „Kleiner Mann“ die elterlichen Vorbilder noch sehr ernst nahm, und sie nicht durch 4-Letter Words ersetzte! So kam es auch vor, dass bei einer jugendlich eingeschlagenen Fensterscheibe der Nikolaus ins Familiengespräch mit einbezogen wurde, damit sein grosses Buch im kommenden Advent auch nichts vergessen würde.
Nun ja, es war Sommer, und im Hinterkopf waren eher Gedanken wie man dem Nachbarn die Milch aus dem Milchkasten verstecken könnte, als dass man ans Verse-Lehren für den Nikolaus dachte. Und genau an so einem schulfreien Mittwochnachmittag klingelte dieser ominöse schwarze Gabelkasten mit Höreraufsatz. Da ja zu dieser Zeit noch Zucht und Ordnung herrschte, bestand eine genaue Rangordnung, wer wann für den Ohrmuschelkontakt verantwortlich war; zuerst Vater – dann Mutter -------und ganz zuletzt dann Sohnemann, wenn er dazu aufgefordert wurde, den Hörer abzunehmen!
Aus der Küche kam die Aufforderung: „Ich bin am Teller reinigen, nimm bitte den Hörer ab!“
Also kletterte ich auf den gut bürgerlichen Ohrenfauteuil, der vor der Fensterbank stand, griff nach dem Hörer und meldete mich wie gelehrt: „Grüezi, da ist Daniel F“.
Nun tönte es aus dem damals überschweren Hörgerät: „Sali, gib mir den Papa, es geht um die Sommer-Regatta!“
Ich glaube, in diesem Moment erfuhr ich das erste Mal was Adrenalin war. Ich liess den Hörer fallen, rannte in die Küche und sagte kreidenweiss zu meiner Muter:
„Der Nikolaus ist am Telefon“!
Einige Jahre später erzählte mir meine Mutter die Geschichte, als mein Nikolaus-Interesse dem Mofa-Interesse gewichen war. Der Mann der damals anrief, war Hans-Ruedi W., der Vizepräsident des Ruderclubs RIZ, bei dem zu jener besagten Vorsommer-Adventszeit mein Vater Präsident war. Als Vize war Hans-Ruedi auch ein guter Freund meines Vaters. Und als Freund und Helfer spielte er die letzen zwei Jahre zuvor bei mir zu Hause den Nikolaus, vor dem ich einen heiden Respekt hatte und immer meine Verse aufsagen musste. Und genau dieser Mann mit weissem Bart kam am letzen 6. Dezember zu mir und redete mir ins Gewissen, was ich immer für eine Unordnung in meinem Zimmer hätte. Das Tüpfelchen der Ungezogen an jenem 6. Dezember aber war, dass alle Anwesenden an diesem besagten Abend auf das Nachtessen warten mussten, bis der Nikolaus mit Knecht Ruprecht kam, obwohl feine, frische Schinkenhörnchen auf dem Tisch standen, und ich so gerne eines gegessen hätte, was mir aber aus Nikolausgründen untersagt wurde. Dann polterte es an der Türe, der Nikolaus und der Ruprecht traten ein, der Nikolaus drehte schweigend zwei Runden um den Stubentisch, und dann griff der freche Bartmann einfach zu, ohne zu fragen!!!! „Ich habe einfach Hunger und muss zuerst etwas feines essen“, sagte er. Und ich? Ich fragte doch und durfte nicht und er durfte und fragte doch nicht? Und mir dann noch meine Unordnung vorhalten? Was ist das denn für ein Mann? Mit diesem Widerspruch dieses Nikolauslausabends prägte sich bei mir die Stimme des Bärtigen bis ins innerste ein.
Natürlich legte Hans-Ruedi W. in diesem besagten Sommer den viel zu heissen Bart ab, und lebte die Rolle des Vizes, ohne an die Nikolaus-Zeit zu denken. Ganz unbewusst liess die Stimme mit der kommenden Sommer Ruder-Regatta den Widerspruch wieder aufleben: Warum darf der Nikolaus und ich nicht?
Auch wenn ich später über diese kleine Geschichte herzlich lachen konnte, das heisst lachen über mich selber, blieben doch einige Lehren für mich zurück:
- Nicht jeder der Hunger nach Schinkenhörnchen hat, darf essen!
- Wenn einer einfach ein Schinkenhörnchen stiehlt ist das nicht gleich schlimm, wie Unordnung im eigenen Zimmer zu haben!
- Begegne jedem Telefonanruf mit Respekt, es könnte der Nikolaus sein!
In diesem Sinne
Frohe Advents-Zeit
Daniel
P.S. Danke Mali, dass ich das Türchen heute gestalten durfte