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Über die Mehlbeere und andere "Hölzer des Jahres"

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Peter G
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Über die Mehlbeere und andere "Hölzer des Jahres"

Beitrag von Peter G »

Es gibt noch gute Nachrichten. Eine lautet: Die Mehlbeere (Sorbus aria) wird „Baum des Jahres 2024“. Na und? Für in Holz verliebte Menschen ist dies eine erfreuliche Nachricht, weil damit wieder ein wichtiger Baum aus dem Schatten des kranken deutschen Forstes geholt wird. Um dies verdeutlichen, muss ich ein wenig ausholen. Ende des vorigen Jahrhunderts stellten Förster, Dendrologen und Hobbyhandwerker wie ich fest, dass bestimmte Baumarten verschwinden, aus dem Wald und aus dem Bewusstsein der Menschen. Das war 1993 als der Speierling (Sorbus domestica) zum bedrohten „Baum des Jahres“ erklärt wurde. Ein Jahr später gründete sich der Förderkreis Speierling, unterstützt von dem Frankfurter Apfelwein-Kelterer Günther Possmann und dem Göttinger Forstwissenschaftler Wedig Kausch-Blecken von Schmeling. Ich war auch dabei, vor allem weil mich das sanft-harte Holz des Baumes faszinierte. In der Folge trafen sich in Deutschland und weiteren mitteleuropäischen Ländern regelmäßig Baumfreude mit dem Ziel, die Reproduktion des Speierlings zu fördern. Vor zehn Jahren konnte bei einem Treffen im Elsass mit Stolz verkündet werden: Der Speierling hat eine Zukunft.
Zusammen mit dem Speierling wurde auch in Baumschulen und Forstbehörden Werbung gemacht für die Sorbus-Verwandten des Speierlings, also für die Elsbeere (Sorbus torminalis), die Vogelbeere (Sorbus aucuparia) und die Mehlbeere. Die Arbeit hat sich offensichtlich gelohnt. Vor dem Hintergrund der Zerstörung unserer Wälder als Folge der Klimaerwärmung planen immer mehr Förster, die hier genannten Baumarten in den neu aufzubauenden Mischwäldern zu pflanzen. Das ist eine wirklich nachhaltige Planung für das Jahr 2124, das niemand von uns mehr erleben wird.
Die Erklärung der Mehlbeere zum „Baum des Jahres 2024“ empfinde ich als Bestätigung aller bisherigen Bemühungen, wertvolle Schätze der Natur zu erkennen, zu pflegen und zu erhalten.
Das gilt übrigens auch für den Baumhasel. Das ist ein weithin unbekannter, gleichwohl prächtiger Baum, der nicht nur Nüsse liefert, sondern auch ein vorzügliches helles Holz für den Innenausbau und edle Möbel. Im mittelhessischen Forst der Stadt Lich hat schon vor über zwei Jahrzehnten ein mutiger Förster viele Baumhasel in den Boden gesetzt. In 50 Jahren dürften sich Tischler und Drechsler über das Holz freuen.
Der konkrete Anlass für diese Zeilen ist meine neue Liebschaft für einen Baum, der in den USA zu Hause ist, aber längst in vielen Ländern mit gemäßigtem Klima Wurzeln geschlagen hat. Ich meine den Tulpenbaum mit dem zungenweichen Namen Liriodendron tulipifera. Wie alle in diesem Text genannten Bäume zählt auch er zu den Bäumen, denen Ökologen eine Wachstums- und Überlebenschance in einem sich unaufhaltsam veränderndem Klima einräumen. Noch gedeiht der Tulpenbaum bei uns in Europa nur in Parks oder privaten Gärten, wo er im Sommer prächtige Blüten entwickelt und im Herbst sehr spät seine leuchtend gelben Blätter abwirft. Sein Stammholz ist homogen, hell und gut zu hobeln und zu schneiden. In den USA zählt der Tulpenbaum unter dem Namen Poplar als populäres Holz für fast alle Zwecke. Uns Drechslern empfehle ich im Falle eines Angebotes sofort zuzugreifen. Die Wahrscheinlichkeit, dass bei uns ein solcher Baum den Tod durch eine Kettensäge erleidet ist nicht gering. Diese Baumart wächst sehr schnell, wird sehr hoch und damit zu einer Gefahr für Haus und Garten. In seinem Heimatland wird der Tulpenbaum bis zu 55 Meter hoch mit einem Stammdurchmesser von 150 cm.
In meinem Plädoyer für den Tulpenbaum schließe ich auch Ginkgo biloba als ein Gewächs aus der frühen Erdzeit mit ein. Dessen Holz verführt uns Drechsler ebenfalls mit seinen technischen und ästhetischen Qualitäten. Und im Übrigen: Was spricht denn dagegen, wenn in den künftigen Wäldern des Taunus oder Hunsrücks neben Buche, Eiche und Ahorn auch noch essbare Früchte tragende Sorbus-Arten in Nachbarschaft mit Baumhasel und Ginkgo gedeihen...?


Grüße an alle von Peter Gwiasda

Hier einige Beispiele von Werken aus Tulpenbaum: Schale aus gestocktem Holz (d 270 mm h 145 mm), Schale aus unverpilztem Holz (d 250 mm und h 120 mm), jeweils ohne "Behandlung" mit irgendwas und Rennautos für Kinderkarussell mit Rädern und Rahmen komplett aus Tulpenbaum:



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Josch
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Re: Über die Mehlbeere und andere "Hölzer des Jahres"

Beitrag von Josch »

Hallo Peter,
vielen Dank für deinen informativen, wie angenehm gewortfeilten Aufsatz. Ich mag alte Sorten.
Grüße vom Feierabenddrechsler Joachim
(www.feierabenddrechsler.de)
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dalbergia_63
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Re: Über die Mehlbeere und andere "Hölzer des Jahres"

Beitrag von dalbergia_63 »

Hallo Peter,

hab Dank für diesen wieder sehr schönen Ausflug in die Welt der Hölzer und Bäume - wie Du weißt, teilen wir diese Leidenschaft!

Mit handwerklich-kollegialen Grüßen

Heinz
"To everything (turn, turn, turn)
There is a season (turn, turn, turn)
And a time to every purpose, under heaven"
Pete Seeger
... welch ein Lied für einen drechselnden Musiker!
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Re: Über die Mehlbeere und andere "Hölzer des Jahres"

Beitrag von Faulenzer »

Ohne dich und dein Bestreben würde ich einige Baumarten gar nicht kennen.
Seitdem sind die in meinem Bewustsein und ich finde sie in manchen Berichten wieder.

Danke dir.
Gruß Frank

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Re: Über die Mehlbeere und andere "Hölzer des Jahres"

Beitrag von maserknollen »

Hallo Peter
Danke für deinen ausführlichen und hochinteressanten Bericht. Auch in meiner Wahlheimat, der Patthorst kann ich den ein oder anderen " Sorbus" beobachten. Vor allem Eberesche/ Vogelbeere.
Ein toller Heister mit orange bis knallroten Früchten im Spätsommer. Bis Herbst halten die meistens nicht, weil vor allem die vielfältige Vogelwelt hier sich an der Frucht laben kann.

Den Eigenschaften des Tulpenbaumes kann auch ich als Holzhandwerker viel positives abgewinnen. Ein homogenes Holz, was sehr gut steht, für Konstruktionen im Innenbereich ( Türen- Rahmenbau usw) sehr gut geeignet ist und sich sehr gut lackieren lässt.
Beim Hobeln ist aber Obacht geboten. Immer genau auf den Faserverlauf achten. Gegen den Strich gehobelt entsteht ein Ausriss, der auch mit Intensivem Schleifen nur schwer wieder zu egalisieren ist. Also, nach meiner Erfahrung suboptimal für Vierseitenhobelmaschinen.
Aber sonst, wie Du schon mit deinen Bildern zeigst, ein interessantes Holz mit einigen Möglichkeiten.
Hat eigentlich schon mal jemand gestochen Gingko gezeigt oder mal dahingehend Versuche gemacht? Würde mich mal interessieren.
Gruß Ludger

Der krumme Baum lebt sein Leben.
Der gerade Baum wird zum Brett.
( aus China)
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