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Ostergedanken

Verfasst: Samstag 3. April 2021, 17:33
von Peter G
Die Osterinsel als Mahnung

Von Peter Gwiasda

Wenn ich an Ostern denke, tauchen in meinem Kopf keine Bilder von Hasen, Hühnern und Eiern auf, sondern von blühenden Krokussen, von in der Frühlingssonne silbrig leuchtenden Weidenkätzchen und ergrünenden Wiesen. Wunderbar, wie sich unsere belebte Welt immer wieder erneuert. Ostereier oder Osterhasen zu drechseln, kommt mir nicht in den Sinn.
Stattdessen erschrecken mich trotz der erwachenden Natur diese Fakten: der für unseren Wald und unsere Landwirtschaft existentielle Grundwasserspiegel ist als Folge extrem trockener Jahre so tief wie nie zuvor. Diese Nachricht ist nur eine von vielen anderen bedrohlichen Botschaften über den Zustand unserer Mutter Erde. Persönlich betroffen bin ich wegen des schlechten Zustandes der Apfel- und Pflaumenbäume auf meinen Streuobstwiesen hier im wasserarmen Taunus.
Und jetzt bin ich wieder bei Ostern, nämlich bei der Osterinsel, viele tausend Kilometer vor Chiles Küste gelegen. Dieses einsame Eiland kann uns Menschen heute die Folgen von Mangel an Klugheit bei der Nutzung der Erde zeigen. Und weil Drechsler und andere Holzwerker nachweislich sensibel bei der Nutzung der natürlichen Ressourcen sind, erlaube ich mir heute dieses Thema aufzugreifen. Es geht um Holz, um Wald und um die Nachhaltigkeit.
Ich erinnere mich, beim Drechslertreffen 2009 in Römerberg in einem Vortrag über über Holz allgemein auch das Thema Nachhaltigkeit am Beispiel der Osterinsel behandelt zu haben. Ich darf mich hier also straffrei selbst zitieren:

Wald - Holz - Nachhaltigkeit

Wer über Wald referiert, muss den Begriff Nachhaltigkeit verwenden.
Wer in die Suchmaschine das Wort Nachhaltigkeit eingibt, erhält Millionen Erklärungen. Nachhaltigkeit scheint also ein Schlüsselwort zu sein, eine Art Zauberwort, um die Zukunft der Menschheit zu beschreiben. Mit der Inflation dieses Wortes setzt natürlich auch sein Missbrauch ein. Deshalb ist es sinnvoll, die Ursprünge dieses Begriffs freizulegen.
Wir werden dabei in den Wald gehen. Vor Jahrtausenden sicherte und seit Jahrtausenden garantiert der Wald die Existenz der Menschen. Die geringe Population der frühen aufrecht gehenden Menschen fügte dem Wald nur geringe und nur örtliche Schäden zu, die schnell wieder heilten. Die von den ersten Ackerbauern vor 6000 Jahren gerodeten Lichtungen im von Laubbäumen geprägten Mitteleuropa schlossen sich schnell nach dem häufigen Standortwechsel der ersten Siedler. Die in den vergangenen fünf Jahrhunderten unseren Wäldern zugefügten Schäden hingegen waren und sind folgenreicher und blieben vielfach irreparabel. Daraus müssen wir lernen unter strikter Beachtung der Gebote der Nachhaltigkeit. Das Wohl und Wehe von Millionen von Menschen wird sich in den Wäldern unseres Planeten entscheiden.
Definieren wir den Begriff, um den sich hier alles dreht.
„Regenerierbare lebende Ressourcen dürfen nur in dem Maße genutzt werden, wie Bestände natürlich nachwachsen“, lautet der kürzeste. Er bezieht sich ausschließlich auf den Wald. Die älteste Definition stammt aus dem Jahr 1661. Da prägten die Ratsherren der Stadt Reichenhall den Begriff vom „ewigen Wald“. Zur Salzgewinnung wurde dort Sole verdampft, was gewaltige Holzmengen verschlang. Die Ratsherren verfügten deshalb, dass in den Wäldern um die Saline nur so viele Bäume gefällt werden durften, wie jedes Jahr nachwachsen.
Die moderne Definition des Begriffs verlässt die Waldgrenzen und ist global und universal:
„Entwicklung zukunftsfähig zu machen, heißt, dass die gegenwärtige Generation ihre Bedürfnisse befriedigt, ohne die Fähigkeit der zukünftigen Generation zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse befriedigen zu können.“

Dieser Leitgedanke ist der Kern des Abschluss-Dokumentes der UN-Weltkommission für Umwelt und Entwicklung aus dem Jahr 1987.
Ich möchte beim Wald und seinem wichtigsten Rohstoff, dem Holz, bleiben und ein historisches Beispiel der Missachtung der Gebote der Nachhaltigkeit beschreiben. Die Folgen des aktuellen Raubbaues beispielsweise unserer Regenwälder sind natürlich ungleich größer, sie sind dramatisch.

Und was ist nun mit der Osterinsel? Als am Osternsonntag 1772 holländische Seefahrer mitten im Pazifik, Tausende Kilometer von der chilenischen Küste entfernt, eine fast menschenleere, kahle und versteppte Insel entdeckten, tauften sie sie nach dem Tag ihrer Entdeckung. Sie wunderten sich über tausend landeinwärts blickende riesige Steinfiguren. Für Ethnologen und den Rest der forschenden Welt waren diese tonnenschweren Figuren aus Tuffstein und ihre Schöpfer mehr als zwei Jahrhunderte so etwas wie ein Menschheitsrätsel schlechthin. Nur der Trivialforscher Erich von Däniken glaubte die Lösung zu kennen. Es seien die Hinterlassenschaften von Außerirdischen, schrieb er.
Heute wissen wir mit Hilfe der Archäobotanik und durch die Auswertung der Mythen und Märchen der letzten einheimischen Insulaner, weshalb die Insel heute eine der unwirtlichsten der Welt ist. Die Insel aber war vor tausend Jahren dicht bewaldet, die Bewohner polynesischer Abstammung betrieben erfolgreich Ackerbau, die Bevölkerung wuchs. Das allein musste noch nicht zur Katastrophe führen, wohl aber der Götter- und Ahnenkult der Clans. Deren Kult erzwang einen enormen Verbrauch an Holz für den Transport der gigantischen Steinfiguren und band Kräfte. Um 1680, also 100 Jahre vor dem Auftauchen von drei holländischen Schiffen unter dem Kommando von Jacob Roggeveen, war die Osterinsel bereits botanisch erschöpft und ökologisch ruiniert. Die Ende des vorvergangenen Jahrhunderts befragten letzten wenigen Eingeborenen berichteten in ihren kollektiven Erinnerungen von Bürgerkriegen und Überlebenskämpfen um Nahrungsmittel. Nachdem die letzten Bäume für den Transport der letzten Steinfigur verbraucht waren, gab es auch kein Material mehr für den Bau von Booten. Der Fischfang erlosch. Protein wurde Mangelware. Die Seevögel als Eiweißspender mieden die verkarstete Insel als Nistplatz. Dass auf der Insel einmal paradiesische Zustände herrschten, ermittelten die Forscher der Neuzeit anhand von Pollen in den Sedimenten von Kratern und Senken.
Die Osterinsel ist also ein Mahnmal, eine Warnung an uns alle, nachhaltig mit allen natürlichen Ressourcen umzugehen. Die Osterinsel steht für eine menschengemachte Weltzerstörung im Kleinen.
Der einstige Götter- und Ahnenkult der polynesichen Insel-Ureinwohner erinnert mich an den Eroberungs- und Ausbeutungsdrang heutiger gesichtsloser Clans mit Namen wie Shell, Monsanto, Unilever, Amazon und so weiter und so fort.

Re: Ostergedanken

Verfasst: Samstag 3. April 2021, 20:45
von chrillu
Liebe Peter

Du sprichst mir aus der Seele.

Re: Ostergedanken

Verfasst: Samstag 3. April 2021, 21:07
von bioschreiner
Danke für Deine nachdenklichen Worte.

Liebe Grüße vom trockenen Hinterland in den trockenen Taunus.

Uwe

Re: Ostergedanken

Verfasst: Sonntag 4. April 2021, 07:28
von Mr. Wood
Hallo Peter,

besten Dank für den Ostergedanken und das du dir die Mühe machst
ihn hier nieder zu schreiben um uns daran teil haben zu lassen. :danke:
Ich habe schon Mühe so viel zu lesen ;-)

Re: Ostergedanken

Verfasst: Sonntag 4. April 2021, 08:12
von Drechselfieber
Der Mensch findet immer einen Grund einen Baum zu fällen,
aber selten einen zum Pflanzen eines solchen.

Für mich sind sie die besten Schattenspender in einem heissen Sommer.

Danke und Frohe Ostern !!!

Re: Ostergedanken

Verfasst: Sonntag 4. April 2021, 10:19
von Faulenzer
Da schlage ich heute unsere gemeinsame Lieblingszeitung auf und lese einen interessanten
Bericht über die Osterinseln und ihren ökologischen Untergang.

Deine Ostergedanken gehen in die gleiche Richtung und zeigen einen Irrsinn auf.

Leute, pflanzt was das Zeug hält. Offene Erde im Garten ist unnatürlich.

Re: Ostergedanken

Verfasst: Montag 5. April 2021, 17:49
von Rainer Bucken
Lieber Peter,
vielen Dank, Du sprichst mir aus der Seele!

Herzliche Grüße,
Rainer