Die Kolumne für September
Verfasst: Montag 31. August 2020, 20:09
Fridays for Forest
Von Peter Gwiasda
Gelegentlich träume ich verrückte Dinge, die bei gründlicher Analyse so verrückt doch nicht sind. Zum Beispiel stelle ich mir vor, dass alle Menschen, die mit Holz arbeiten und deren Existenz abhängig ist von der Verfügbarkeit diesesWerkstoffes, zusammenfinden zu einer breiten Bewegung für den Wald. FFF, diesmal also Fridays for Forest. Und das sind allein in unserer Republik viele hunderttausend Menschen. Klar gehören auch die Drechsler dazu. Ihr Engagement für den Wald kann nicht mit dem Hinweis diskreditiert werden, ihr Plädoyer sei nur purem Eigennutz geschuldet. Allenfalls Förstern und Waldbesitzern könnte ein solch hirnloser Vorwurf gemacht werden.
Weshalb sehne ich mich nach einer sozialen Bewegung für den Erhalt und die Erneuerung unserer Wälder? Weil sich die Wälder überall in einem beklagenswerten Zustand befinden. Trockenheit und Windwurf, Borkenkäfer und Siedlungsdruck zerstören die letzten größeren Forstregionen. Wenn ich im Obergeschoss meines Hauses auf den nahen Taunuskamm (die einstige Grenze zwischen dem Römischen Reich und Germanien) schaue, sehe ich riesige braune Löcher in Fichtenkulturen und viele Buchen tragen jetzt im August bereits Herbstfarben.
Vor diesem Panorama einer bedrohlichen Zukunft freue ich mich über eine publizistische Initiative der Bayerischen Staatsforsten. Auf über 70 Seiten unter dem Titel „Klimawald 2.0“ fassen die Förster die Lage unserer Wälder schonungslos zusammen und benennen Chancen zur Waldrettung. Sie sind dabei sehr ehrlich, behaupten also keinesfalls die Lösung für alle Probleme zu kennen, auch weil die Autoren von heute in hundert Jahren ohnehin nicht mehr zur Rechenschft gezogen werden können. Das Magazin ist verfasst von Fachleuten, aber nicht nur für Forstexperten von hohem Nutzen. Ich rate deshalb, dieses Magazin zu bestellen unter www.baysf.de/publikation. Eine Printversion ist kostenlos, wer Papier vermeiden will, kann auch ein Download wählen. Außerordentlich informativ ist ein Text von Peter Laufmann über die Frage, welche Baumarten bei den prognostizierten klimatischen Bedingungen in den nächsten Jahrhunderten zu den Gewinnern zählen. Er stellt ein paar heiße Kandidaten vor. Darunter sind alte Bekannte genauso wie Exoten, die lange niemand auf dem Schirm hatte.
Peter Laufmann hat Forstwissenschaft und Publizistik an der Uni Göttingen studiert und arbeitet als Redakteur des Umweltmagazins „natur“. Und hat vor wenigen Wochen ein weiteres Buch veröffentlicht, das mich geradezu elektrisiert hat. Es trägt den schlichten Titel „Der Boden, das Universum unter unseren Füßen“. Schon wenige Zentimeter unter unseren Füßen beginnt eine fremdartige Welt – nah und doch verschlossen und existentiell für alle Lebewesen auf dem besonnten Boden. Er beschreibt mit einfachen Formulierungen dieses fantastische Reich der Dunkelheit. Laufmann zeigt uns auch, wie wir Menschen dieses Universum unter unseren Füßen buchstäblich mit Füßen treten, ahnungslos und bedenkenlos. Nach der Lektüre dieses Buches wird die untrennbare Wechselbeziehung zwischen Boden und Wald offenbar. Der Erkenntnisgewinn kostet 18 Euro, ISBN 978-3-570-10406-4.
Zurück zu meinem Traum von einer sozialen Bewegung aller Holzfreunde für die Zukunft unserer Wälder, lokal, regional und global. Wenn allein die grob geschätzt zehntausend drechselnden Menschen in Mitteleuropa die Präsentation ihrer Werke verbinden mit Informationen über die Lage unserer Wälder und über die Plünderung von Urwäldern mit dem Segen verantwortungloser Staatschefs, könnte ein schärferes Bewusstsein für den Wald entstehen. Weil ja nichts ohne Folgen bleibt. Wir Drechsler können besonders glaubwürdig den Wert und die Schönheit der Bäume/Hölzer des Planeten Erde vermitteln.
Wir Holzfreunde, die immer auch Waldliebhaber sind, könnten auch über die Verheißungen sprechen, die die 5G-Technik dem Wald bringt. An der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften werden aktuell interdisziplinäre Anwendungsfälle von 5G für den Bereich Forst und Wald entwickelt. Der Baum der Zukunft könnte mit Vitalitätssensoren ausgestattet werden und so zum Frühwarnsystemen für den Wald dienen. Dynamisch und aktuell würden wir alle über Schäden durch Trockenheit und Schädlinge oder Feuer gewarnt werden. Alles nur Fantasien von Wissenschaftlern, die zu lange die Sonne genossen haben? Nein. Der seriöse Informationsdienst Wissenschaft (idw) vom 6. August 2020 berichtet ausführlich über die Forschungen der Hochschule. Das Projekt heißt „Smart Forestry“. Mittels des 5G-Datennetzwerkes könnte jeder Baum in Echtzeit Messwerte seines Zustandes liefern. Prof. Andreas Ligocki, Dekan der Fakultät Maschinenbau, wird so zitiert: „Zu trocken? Zu feucht? Zu kalt? Zu heiß? Borkenkäfer im Angriff? Wie sieht der Boden aus, in dem er wurzelt? Wie ist die Umgebungsluft?“.
Darüber und über viel mehr könnten oder sollten wir bei Ausstellungen und Märkten mit interessierten Besuchern reden. Meine Erfahrungen bestätigen, dass viele Menschen emotional und intellektuell berührt sind von den Themen Klimawandel und Wald in Not: Ökosysteme sind in immerwährender Veränderung begriffen. Es gibt kein dauerhaftes ökologisches Gleichgewicht und keinen Idealzustand, Wald ist wie unser Leben, ist also Kooperation und Konkurrenz, Stabilität und Dynamik.
Fridays for Forest and Future – wer macht mit?
Und weil es so gut zum Thema passt, eine weitere Empfehlung für ein anspruchsvollen Sachbuch, dass noch nach Druckerfarbe duftet: „ÜBER LEBEN“ Zukunftsfrage Artensterben: Wie wir die Ökokrise überwinden.“ Zwei sehr sachkundige Kollegen von mir, die Wissenschaftsjournalisten Dirk Steffens und Fritz Habekuß, haben ein leicht lesbares Buch geschrieben über den Gesang der Vögel, die Vielfalt der Natur und die Schönheit der Erde. Über das Netz des Lebens und darüber, wie alles mit allem zusammenhängt. Sie schreiben über den Aufstieg der Menschen zur beherrschenden Art und die Zerstörung der Natur. Die Lektüre dieses Buches hat mich verwirrt, sie kann zu Depressionen führen, aber auch Hoffnungen befördern. Weil die meisten Drechsler erkennbar zur dritten Generation zählen, empfehle ich die Lektüre im Interesse unserer Enkel.
(ISBN 978-3-328-60131-9.
Von Peter Gwiasda
Gelegentlich träume ich verrückte Dinge, die bei gründlicher Analyse so verrückt doch nicht sind. Zum Beispiel stelle ich mir vor, dass alle Menschen, die mit Holz arbeiten und deren Existenz abhängig ist von der Verfügbarkeit diesesWerkstoffes, zusammenfinden zu einer breiten Bewegung für den Wald. FFF, diesmal also Fridays for Forest. Und das sind allein in unserer Republik viele hunderttausend Menschen. Klar gehören auch die Drechsler dazu. Ihr Engagement für den Wald kann nicht mit dem Hinweis diskreditiert werden, ihr Plädoyer sei nur purem Eigennutz geschuldet. Allenfalls Förstern und Waldbesitzern könnte ein solch hirnloser Vorwurf gemacht werden.
Weshalb sehne ich mich nach einer sozialen Bewegung für den Erhalt und die Erneuerung unserer Wälder? Weil sich die Wälder überall in einem beklagenswerten Zustand befinden. Trockenheit und Windwurf, Borkenkäfer und Siedlungsdruck zerstören die letzten größeren Forstregionen. Wenn ich im Obergeschoss meines Hauses auf den nahen Taunuskamm (die einstige Grenze zwischen dem Römischen Reich und Germanien) schaue, sehe ich riesige braune Löcher in Fichtenkulturen und viele Buchen tragen jetzt im August bereits Herbstfarben.
Vor diesem Panorama einer bedrohlichen Zukunft freue ich mich über eine publizistische Initiative der Bayerischen Staatsforsten. Auf über 70 Seiten unter dem Titel „Klimawald 2.0“ fassen die Förster die Lage unserer Wälder schonungslos zusammen und benennen Chancen zur Waldrettung. Sie sind dabei sehr ehrlich, behaupten also keinesfalls die Lösung für alle Probleme zu kennen, auch weil die Autoren von heute in hundert Jahren ohnehin nicht mehr zur Rechenschft gezogen werden können. Das Magazin ist verfasst von Fachleuten, aber nicht nur für Forstexperten von hohem Nutzen. Ich rate deshalb, dieses Magazin zu bestellen unter www.baysf.de/publikation. Eine Printversion ist kostenlos, wer Papier vermeiden will, kann auch ein Download wählen. Außerordentlich informativ ist ein Text von Peter Laufmann über die Frage, welche Baumarten bei den prognostizierten klimatischen Bedingungen in den nächsten Jahrhunderten zu den Gewinnern zählen. Er stellt ein paar heiße Kandidaten vor. Darunter sind alte Bekannte genauso wie Exoten, die lange niemand auf dem Schirm hatte.
Peter Laufmann hat Forstwissenschaft und Publizistik an der Uni Göttingen studiert und arbeitet als Redakteur des Umweltmagazins „natur“. Und hat vor wenigen Wochen ein weiteres Buch veröffentlicht, das mich geradezu elektrisiert hat. Es trägt den schlichten Titel „Der Boden, das Universum unter unseren Füßen“. Schon wenige Zentimeter unter unseren Füßen beginnt eine fremdartige Welt – nah und doch verschlossen und existentiell für alle Lebewesen auf dem besonnten Boden. Er beschreibt mit einfachen Formulierungen dieses fantastische Reich der Dunkelheit. Laufmann zeigt uns auch, wie wir Menschen dieses Universum unter unseren Füßen buchstäblich mit Füßen treten, ahnungslos und bedenkenlos. Nach der Lektüre dieses Buches wird die untrennbare Wechselbeziehung zwischen Boden und Wald offenbar. Der Erkenntnisgewinn kostet 18 Euro, ISBN 978-3-570-10406-4.
Zurück zu meinem Traum von einer sozialen Bewegung aller Holzfreunde für die Zukunft unserer Wälder, lokal, regional und global. Wenn allein die grob geschätzt zehntausend drechselnden Menschen in Mitteleuropa die Präsentation ihrer Werke verbinden mit Informationen über die Lage unserer Wälder und über die Plünderung von Urwäldern mit dem Segen verantwortungloser Staatschefs, könnte ein schärferes Bewusstsein für den Wald entstehen. Weil ja nichts ohne Folgen bleibt. Wir Drechsler können besonders glaubwürdig den Wert und die Schönheit der Bäume/Hölzer des Planeten Erde vermitteln.
Wir Holzfreunde, die immer auch Waldliebhaber sind, könnten auch über die Verheißungen sprechen, die die 5G-Technik dem Wald bringt. An der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften werden aktuell interdisziplinäre Anwendungsfälle von 5G für den Bereich Forst und Wald entwickelt. Der Baum der Zukunft könnte mit Vitalitätssensoren ausgestattet werden und so zum Frühwarnsystemen für den Wald dienen. Dynamisch und aktuell würden wir alle über Schäden durch Trockenheit und Schädlinge oder Feuer gewarnt werden. Alles nur Fantasien von Wissenschaftlern, die zu lange die Sonne genossen haben? Nein. Der seriöse Informationsdienst Wissenschaft (idw) vom 6. August 2020 berichtet ausführlich über die Forschungen der Hochschule. Das Projekt heißt „Smart Forestry“. Mittels des 5G-Datennetzwerkes könnte jeder Baum in Echtzeit Messwerte seines Zustandes liefern. Prof. Andreas Ligocki, Dekan der Fakultät Maschinenbau, wird so zitiert: „Zu trocken? Zu feucht? Zu kalt? Zu heiß? Borkenkäfer im Angriff? Wie sieht der Boden aus, in dem er wurzelt? Wie ist die Umgebungsluft?“.
Darüber und über viel mehr könnten oder sollten wir bei Ausstellungen und Märkten mit interessierten Besuchern reden. Meine Erfahrungen bestätigen, dass viele Menschen emotional und intellektuell berührt sind von den Themen Klimawandel und Wald in Not: Ökosysteme sind in immerwährender Veränderung begriffen. Es gibt kein dauerhaftes ökologisches Gleichgewicht und keinen Idealzustand, Wald ist wie unser Leben, ist also Kooperation und Konkurrenz, Stabilität und Dynamik.
Fridays for Forest and Future – wer macht mit?
Und weil es so gut zum Thema passt, eine weitere Empfehlung für ein anspruchsvollen Sachbuch, dass noch nach Druckerfarbe duftet: „ÜBER LEBEN“ Zukunftsfrage Artensterben: Wie wir die Ökokrise überwinden.“ Zwei sehr sachkundige Kollegen von mir, die Wissenschaftsjournalisten Dirk Steffens und Fritz Habekuß, haben ein leicht lesbares Buch geschrieben über den Gesang der Vögel, die Vielfalt der Natur und die Schönheit der Erde. Über das Netz des Lebens und darüber, wie alles mit allem zusammenhängt. Sie schreiben über den Aufstieg der Menschen zur beherrschenden Art und die Zerstörung der Natur. Die Lektüre dieses Buches hat mich verwirrt, sie kann zu Depressionen führen, aber auch Hoffnungen befördern. Weil die meisten Drechsler erkennbar zur dritten Generation zählen, empfehle ich die Lektüre im Interesse unserer Enkel.
(ISBN 978-3-328-60131-9.