Seite 1 von 1

Schale mit Duft und Lüge

Verfasst: Mittwoch 3. Juni 2020, 17:33
von Peter G
Hallo Holzliebhaber,

Schalen und immer wieder Schalen, als gäbe es keine anderen Objekte... Aber Schalen sind archaisch, untrennbar verbunden mit unserer Kultur und Zivilisation. Wie sonst sollen wertvolle Dinge gesammelt, gefasst und bewahrt werden? So entstanden seit Jahrtausenden die Gefäße. Und in meiner Werkstatt jüngst die gefühlt und nicht gezählte tausendste Schale, diesmal aus duftender Lawsons Scheinzypresse. Die Maße: d=310 mm, h=165 mm, w=18 mm. Oberfläche pur, kein Öl oder Wachs, nix.
Einige Menschen habe ich bei der Vorstellung der Schale erfolgreich mit der Erklärung belogen, dass in der Schale eine zweite, dünnere und kleinere Schale läge. Versehentlich hätte ich die kleinere Schale zum Test in die größere gedrückt. Und weil ich eben so exakt gedrechselt hätte und die größere Schale um zwei Zehntelmillimeter geschrumpft sei, könne die Kleinere leider nicht mehr befreit werden. Schade, alle Versuche scheiterten bislang, die Kleinere mit spitzen Fingernägeln zu heben.

Vor dem Hintergrund der Perma-Lügen des US-Präsidenten gestatte ich mir auch einmal eine harmlose Unwahrheit.

Freundliche Grüße von Peter Gwiasda
P1030006.JPG
P1030007.JPG
P1030009.JPG

Re: Schale mit Duft und Lüge

Verfasst: Mittwoch 3. Juni 2020, 18:30
von Erick
......nette Geschichte zu einer perfekten Schale
Erick

Re: Schale mit Duft und Lüge

Verfasst: Mittwoch 3. Juni 2020, 19:27
von finn2012
Hallo Peter,

die Form und die Geschichte zu der Schale sind perfekt. Ich bin immer wieder fasziniert über deine Möglichkeiten etwas zu formulieren.

Du hast uns aber auch aufgefordert kritisch zu sein. Auf dem letzten Bild erkennt man noch Schleif- oder Werkzeugspuren. Daher nur 2+ und keine 1 mit Sternchen.

Viele Grüße

Uli

Re: Schale mit Duft und Lüge

Verfasst: Donnerstag 4. Juni 2020, 12:55
von Peter G
Hallo Uli,

gut beobachtet, stimmt. Keinem geübten Drechslerauge entgehen die Spuren bei der Bearbeitung von Holz. Auch meine Zypressenschale trägt Spuren der Bearbeitung mit scharfen Stählen und feinen Kristallen, weil der liebe Gott unseren Lieblingswerkstoff nun mal aus unterschiedlichen Zellen zusammengesetzt hat. Jeder Drechsler kennt diese Station: Weiter schleifen oder beenden, lohnt nach 320er Körnung noch 400er? Bei Schalen aus Querholz entstehen bekanntlich immer mindestens vier Problemzonen, die sich sogar während des Schleifens augenscheinlich dadurch erneuern, dass der immer feinere Schleifstaub immer tiefer in die offenen Holzzellen getrieben wird und bei Kunstlicht reflektiert. Temporär begrenzte Abhilfe schafft hier dünnflüssiges Öl. Dieses Material will ich aber möglichst meiden.
Welche Lösungen zur Vernichtung von Arbeitsspuren auf dem Holz gibt es? Schleifen bis zu Erschöpfung unter wechselnder Rotation und konsequenter Einsatz unterschiedlicher Körnungen nach dem Kaskadenprinzip. Bei Hölzern mit weichen Frühholzzonen kann man das Ergebnis dann nicht nur sehen, sondern leider auch fühlen.
Bleibt die Verwendung von rotierenden oder sogar oszillierenden Scheifmaschinen. Das Resultat kann zerstörerisch sein, wenn es sich um Nadelhölzer mit dekorativen Ästen handelt. Die konzentrierte punktuelle Bearbeitung der Problemzonen bei stehender Spindel entfernt zwar Schleifspuren der Rotation, hinterläßt aber neue Spuren, wodurch sich wieder der Lehr- und Leersatz bestätigt, wonach im Leben keine Handlung oder Unterlassung spurlos bleibt.

Sehr oft entscheide ich mich für die Unterlassung, gelegentlich auch aus purer Faulheit.

Grüße von Peter Gwiasda

Re: Schale mit Duft und Lüge

Verfasst: Donnerstag 4. Juni 2020, 14:49
von GentleTurn
Peter G hat geschrieben: Donnerstag 4. Juni 2020, 12:55 Sehr oft entscheide ich mich für die Unterlassung, gelegentlich auch aus purer Faulheit.
Moin Peter,

oder auch "Back to the roots".

Re: Schale mit Duft und Lüge

Verfasst: Freitag 5. Juni 2020, 07:35
von Touchma
Moin Peter,

Deine Schale gefällt mir sehr gut, schlichte Formgebung mit einem Detail am Rand.
Hättest Du diese Schale nur mit Bildern hier präsentiert, ohne die dazugehörige Geschichte, hätte ich wahrscheinlich gedacht: nette Schale, sauber gearbeitet (bis auf die Schleifspuren :evil: ) und hätte aufgrund der auch von Dir beschriebenen Faulheit nichts weiter dazu geschrieben.
Diese Geschichte dazu hat mich aber sehr zum Schmunzeln gebracht - Dankeschön dafür.