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Eine neue Bank fasst Fuss auf dem "Europäischen Markt"

Hier geht es um Maschinen im Allgemeinen
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Mephy
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Eine neue Bank fasst Fuss auf dem "Europäischen Markt"

Beitrag von Mephy »

Eine neue Bank fasst Fuss auf dem „Europäischen Markt“

Bei den grösseren Drechselbänken sind die Plätze durch die arrivierten Anbieter schon lange bezogen. In diesem Segment kann nur eine neue Marke Fuss fassen, wenn sie qualitativ und preislich eine echte Alternative bietet. Genau hier setzt die chinesische Firma Harvey ihren Fokus an. Hört man in Europa China wird oftmals die Nase gerümpft und von minderer Qualität gesprochen, ohne aber das Produkt wirklich zu kennen. Sehr oft werden Hauptkomponenten von europäischen Produkten im chinesischen Raum gefertigt und bekommen mit der Endmontage das Lable „Made in Europe“
Harvey hat eigenständig das Modell T-60 entwickelt, bei dem viele gute Ideen von anderen Herstellern in einem neuen Produkt vereint wurden. Diese Bank gibt es bereits in Neuseeland und Australien, sowie in den USA unter dem Brand „LAGUNA REVO 24-36“.
Ich hatte die Möglichkeit eine der ersten Harvey T-60 die nach Europa kam auszupacken und aufzubauen und kann vorab sagen, dass sich das Image „Made in China“ bei mir zumindest sehr stark gewandelt hat. Ich möchte hier einen kurzen Erfahrungsbericht des Aufbaus abgeben, ohne aber im Moment bereits schon 50 Kilogramm Unwucht darauf verarbeitet zu haben, was aber sicherlich in der nächsten Zukunft noch folgen wird.

Technische Daten der Harvey T-60

Volle Graugussbank: Je nach Montageart +/- 360 kg
Spitzenhöhe: 300 mm = d 605 mm
Spitzenhöhe mit abgesetztem Bett: 470 mm = d 940 mm
Spitzenhöhe ab Boden: 1170 mm / +/- 20 mm
Maximale Bearbeitungslänge: 1210 mm
Bettverlängerung: 508 mm
Drehdurchmesser über Handauflage: 508 mm
Spindelstock in der Bettachse frei verschiebbar
Spindelstock: M 33 / MK II / durchbohrt 15.8 mm
Teilungsindex: 48
Reitstock: MK II / mit Auswurf / durchbohrt 9.5.mm
Pinolenhub: 110 mm / Skalierung in mm und Inch
Handauflage: 355 mm / d 25.4 mm
Handauflageverlängerung für abgesenktes Bett
Reitstock Swing away: 305 mm
3-Phasen Motor mit FU, 1-Phasig angeschlossen 230 V / 7 A / 3 PS
Drehzahlstufe I: 60 – 1000 U/min
Drehzahlstufe II: 200 – 3500 U/min
Mitnehmer: Vierzack
Aufnahmescheibe: 76 mm
Drehspitze: Live-Center
Werkzeug: Wekzeugset mit Banjo-Halterung
CE Geprüft
Kompletter Lieferumfang von: Holzprofi Austria

1. Anlieferung

Die Harvey T-60 kommt angeliefert in einer optimalen Holzverpackung, alle Gussteile eingefettet und gegen Korrosion geschützt.
1 Kiste offen.jpg
2. Auspacken und Aufstellen

Bedingung dazu sind mindestens 2 Mann und wenn immer möglich zusätzliches Hebewerkzeug wie zum Beispiel Gabelstapler oder Kran. Dies ist eine Konzession an die massive Konstruktion, respektive an das Gewicht.
2 Auf Platte.jpg
Auch wenn alles im Manual sehr gut beschrieben ist braucht es intelligente Hebetechnik um den Rücken zu schonen. Ein wesentlicher Vorteil ist. Dass kein zusätzliches Werkzeug zur Montage benötigt wird, da alles im Lieferumfang enthalten ist und alle Gewinde „Metrisch“ sind!

3. Erster aufgebauter Eindruck
3 Bank montiert.jpg
Schwarz macht schlank! Optisch macht die Bank einen grundsoliden Eindruck. Mit einer Spitzenhöhe von 117 cm ab Boden ist die Maschine auch für grossgewachsene Drechsler/innen geeignet; kleinere behelfen sich mit einer Standflächenauflage um in optimaler Arbeitshöhe zu stehen, da sich das Bett nur nivellieren, aber nicht Höhen verstellen lässt. Das Graugussbett ist von erster Güte. Auffällig von der Frontseite her gesehen ist, dass sich eine plane Anschlagfläche für einen Bettanbau im 90 Grad Winkel befindet.
10 90 Grad.jpg
Dies bedeutet, dass die 50 cm Bankbettverlängerung nicht nur links und rechts, sondern auch quer montiert werden kann. Dadurch kann auch der volle Drehdurchmesser über Bett von 605 mm ausgenützt werden, ohne dass der Handauflageunterteil im Wege steht. Dies ist besonders dann nützlich, wenn mit Zusatzgeräten von aussen ins Drehgut gearbeitet wird (Bohren und Fräsen).
Hängt man den Reitstock Swing away ein, sitzt alles passgenau und der Reitstock gleitet vom Bett auf den Swing away ohne die geringste Nachjustierung.
5 Swing away.jpg
Zwei Führungsbolzen garantieren den Passsitz. Dreht man dann den Reitstock um 180 Grad weg, ist man erstmals erstaunt, dass die ganze Konstruktion magnetisch am Bett gehalten wird, so dass mögliche Vibrationen den Swing away nicht ungewollt drehen lassen. Die Swing away Funktion funktioniert auch dann, wenn der Spindelstock in die Kopfdrehposition gefahren wird.
6 Kopfdrehposition.jpg
Auch hier erscheint die Konstruktion wirklich durchdacht. Die Spitzen-Spitzen-Kontrolle erweist sich für eine Bank dieser Grösse erstaunlich präzise, so dass darauf auch filigrane Arbeiten problemlos ausgeführt werden können.
4 Spitzengenauigkeit.jpg
Klemmungen von Spindelstock, Reitstock und Handauflage sind gut und zweckmässig. Einzig die Handauflage lässt zur Nachbesserung Wünsche offen, denn für eine Bank dieser Klasse sollte eine Rundstahl HSS Auflagekannte kein Diskussionspunkt sein.

Nun zum Spindelstock. Die nach vorne schlanke Form ermöglicht sehr gute Zugänglichkeit auch vom Spindelstock zur Drehachse. Die Spindelachse ist 3-fach gelagert und hat seitlich oberhalb des Handrades, das mehr einem Handknauf ähnelt, die Spindel- oder Index-Arretierung.
9 Index.jpg
Das Spindelstockgehäuse besitzt eine grosse Frontklappe, die einen optimalen Zugang zum Riemenwechsel ermöglicht. Die Klappe schliesst mit zwei Magneten und lässt sich problemlos öffnen und schliessen. Einmal geöffnet kommt das zweifache Pulli-Gelege zum Vorschein.
7 Klappe.jpg
Zweifach heisst auch nur zwei Geschwindigkeitsstufen. Stufe 1 von 60 – 1000 U/min und Stufe 2 von 200 – 3500 U/min. Theoretisch ist sicherlich eine 3. Zwischenstufe wünschenswert; - dies kann aber erst eindeutig nach eingehender Arbeitserfahrung beantwortet werden. Die 48 Schritt Indexlösung entspricht absolut dem Standard in dieser Klasse. Ein kleines Highlight verbirgt die Konstruktion: Demontiert man das Aluminiumhandrad das mit zwei Inbusschrauben gehalten ist, lässt sich der Polymerriemen ohne Achsausbau wechseln, was andere Bänke nicht möglich ist!

Die ganze Bedieneinheit ist im Spindelstock integriert und hat keinen zusätzlichen Steuerteil der frei am Bankbett platziert werden könnte, was aber wünschenswert wäre. Schliesst man die Bank das erste mal an das Stromnetz an, fällt vom ersten Moment das Lüftergeräusch des FU’s auf. Der FU befindet sich gekapselt in einem Blechgehäuse auf der Rückseite des Spindelstocks und ist so auch ausreichend gegen Spritzwasser beim Nassdrehen oder gegen mechanische Einflüsse geschützt. Wenn die Bank ans Stromnetz angeschlossen ist, gibt es keinen echten Netztrennungsschalter. Dies erfordert eine geschaltet Anschlusssteckdose oder ein ständiges Ausstecken der Drechselbank nach getaner Arbeit.
8 Drehzahl.jpg
Auch die Steuerphilosophie ist etwas gewöhnungsbedürftig. Zuerst den Haupt-Not-Ausschalter nach aussen auf Position Ein ziehen. Dann den Drehrichtungsschalter von der Mittelposition = 0 auf Vor- oder Rückwärts stellen. Dann am Drehknopf die gewünschte Drehzahl einstellen – aber! - Um auf die volle Drehzahl zu kommen benötigt es ca. 6 Potentiometerumdrehungen, was mehr als gewöhnungsbedürftig ist! Wenn die Drehzahl so aufwendig, wenn auch sehr präzise eingestellt ist, erfolgt der Ausschaltvorgang über den Drehrichtungsschalter der auf die Position 0 gestellt werden muss. Sofort setzt die Tyristorbremse ein und der Motor bremst kontrolliert ab. Will man wieder auf die selbe Drehzahl zurück, stellt man wieder den Drehrichtungsschalter auf Position Vor- oder Rückwärts und die selbe Drehzahl die zuvor eingestellt war, wird wieder erreicht. Die gespeicherte Drehzahl kann mit der blauen Reset-Taste wieder gelöscht werden, was dann aber denselben Drehzahl Einstellungsvorgang von 0 her erfordert.

Über alles gesehen bekommt man für einen Preis von 5'190 Euro viel, nein sehr viel Drechselbank. Die Qualität überzeugt, auch wenn immer noch etwas verbessert werden kann. Die T 60 ist mehr als nur eine Alternative für arrivierte Drechsler, die etwas mehr als nur das normale von einer Bank fordern, denn der Lieferumfang beinhaltet alles und lässt keine zusätzlichen Wünsche wie Bankbettverlängerung, Reitstock Swing away oder abgesetzte Kopfdreheiheit offen.

So bald ich erste „Unwuchtserfahrungen“ mit der T-60 gesammelt habe werde ich die Informationen nachfügen. Ich bin gespannt, ob sich der optisch überzeugende Eindruck auch beim Arbeitseinsatz bestätigt

Mephy
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Re: Eine neue Bank fasst Fuss auf dem "Europäischen Markt"

Beitrag von Helle »

Hallo Mephy,

erstmal herzlichen Dank fuer deine Muehe diese neue Bank vorzustellen - dies sage ich unabhaengig von meiner Einstellung und Bewertung - Respekt vor dieser heiden Arbeit ...

Zu der Bank:

Mir gefaellt auf den ersten Blick nicht das gleichhohe Einhaengen der seitlichen Verlaengerung. Auch finde ich die Riemchen ein wenig schwach gewaehlt fuer die 30 er Spitzenhoehe. Der Preis - mir persoenlich wäre diese Summe zu hoch.

Eine STRATOS ist fuer deutlich weniger Geld zu bekommen - und wuerde so manchem Hobbydrechsler mehr als ausreichend genuegen. Meine Meinung ...

Aber, wie gesagt, ganz arg Danke fuer's Vorstellen

Viele Gruesse aus der Kurpfalz, Helle
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Re: Eine neue Bank fasst Fuss auf dem "Europäischen Markt"

Beitrag von Willi Lübbert »

Hallo Daniel,

wieder mal ein sehr umfangreicher informativer Bericht von dir, vielen Dank dafür. :danke:
Die haben sich ja wirklich mal Gedanken um tatsächlich Neues gemacht, ob sich das dann durchsetzt ist ja wie immer eine andere Sache.

Für mich käme die Maschine in die engere Wahl, wenn ich das Geld dafür ausgeben wollte. Von wem wird die Maschine in Europa bzw. Deutschland vertrieben? Wo kann man die Maschine begutachten und testen?
Grüße vom Hellweg
Willi
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Re: Eine neue Bank fasst Fuss auf dem "Europäischen Markt"

Beitrag von Mr. Wood »

Hallo Daniel,

du hast nicht zu viel versprochen sieht auf den ersten Eindruck super aus! :.:
Gruß aus der Eifel
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Mephy
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Re: Eine neue Bank fasst Fuss auf dem "Europäischen Markt"

Beitrag von Mephy »

Geschätzte "Blaue" Forums-Kollegen,

Ich habe den selben Bericht auch im "Gelben" Forum veröffentlicht und dort wie hier sind ein paar Fragen aufgetaucht, die ich auch in beiden Foren gleich beantworten möchte. Vielleicht sind hier jetzt ein paar Punkte erwähnt, die hier im "Blauen" noch nicht gestellt wurden; - es sei mir die "Zuvielbeantwortung" verziehen. Ich denke der Invormationsgleichstand hilft aber allen Interessierten.

Mein kurzer Bericht dokumentiert meine persönlichen Eindrücke und ist in keinerlei ein Werbepamphlet für einen Hersteller! Trotzdem möchte ich noch ein paar Antworten zu den Kritikpunkten aus meiner Sicht geben:

1. Es ist nicht falsch wenn man die T-60 mit einer GH-Tec 400 oder einer Steinert Gamma vergleicht, auch wenn jede der erwähnten Maschinen eine andere Philosophie zu Grunde liegt. Da aber der Preis als Vergleichskriterium herbei gezogen wird liegt wahrscheinlich bei einigen ein Kalkulationsfehler vor. Ich denke sehr wohl, dass minimale 2'300.- Euro ein zählendes Argument sind.

GE-Tec 400 = 7'500.- Euro 144% (Grundmodell)
Steinert Gamma = 8'080.- Euro 155% (Grundmodell, ohne FU!)
T-60 = 5'190.- Euro 100% (inkl. Bankbettverlängerung, Reitstock Swing away und Kopfdreheinrichtung)
2. Service und Garantie sollten bei einem renomierten europäischen Vertriebspartner absolut kein Problem sein. Die Garantiezeit beträgt nach EU Norm 2 Jahre.
3. Ich weiss nicht ob die T-60 den Weg ans DFT findet, was sicherlich wünschenswert wäre.
4. Auf den ersten Blick erscheint der Polymerriemen wirklich etwas dünn, aber auch da hat sich die Riemen-Technologie gewaltig weiter entwickelt. Riemen derselben Qualität befinden sich bei anderen Maschinen schon länger im Einsatz und bis jetzt ist mir noch nie ein Riemenproblem dieser Marken zu Ohren gekommen.
5. Der Zapfendurchmesser der Handauflage mit 1“ oder 25,4 mm wurde hinterfragt. Ich selber drechsle mit ebenfalls 1“ Handauflagen bis 120cm Durchmesser und hatte absolut noch nie Probleme. Das 1 Zoll Mass kommt aus dem angelsächsischen Umfeld, wo jede gute Maschine, sei es Powermatic, Robust oder OneWay mit 25,4 mm Standard ausgerüstet sind, und da wird dies nicht bemängelt; - vielleicht sind wir Europäer da etwas überkritisch? Viel wichtiger ist die Klemmung des Zapfens im Handauflagenunterteil, damit der Handauflagenoberteil fest sitzt und nicht verdreht bei starker Belastung.

Ich denke die 5 aufgekommenen Fragen wertneutral beantwortet zu haben und freue mich auf die ersten Arbeitserfahrungen mit der T-60

Gruss Mephy
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