Geschichten veredeln unsere Werke

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Peter G
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Geschichten veredeln unsere Werke

Beitrag von Peter G »

Hallo Drechselfreunde,

immer wieder bestätigt sich, dass Objekte aus unseren Werkstätten an Relevanz und Sachwert gewinnen, wenn sie mit einer Geschichte verknüpft sind oder werden. Diese einfache Erkenntnis werden wir Großeltern anlässlich der Hochzeit unserer Enkeltochter umsetzen. Sie bekommt eine feine Goldkette, die einst ihre Urgroßmutter um den Hals trug. Aber wie dieses kostbare Geschenk präsentieren? Ich entschied mich als Holzwerker für eine flache runde Dose aus einem Holz mit einer tausendjährigen Geschichte, genauer, einer Geschichte von mindestens 10 000 Jahren.
Vor vielen Jahren wurde in einem Kieswerk an der Lahn ein subfossiler Eichenstamm geborgen, der bis dahin unter Sauerstoffverschluss im Flussschotterbett lag. Teile davon konnte ich mir sichern. Im Verlaufe der letzten Jahre verwendete ich diese gespaltenen unterschiedlich großen Holzbrocken für außergewöhnliche Objekte, beispielsweise für Dosen, Deckel und Schreibgeräte. Das Holz verlangt eine besondere Bearbeitung und Umsicht, weil es verborgene Risse enthält und wegen seines hohen Anteils an Kieselsäure sehr abrasiv ist: Zweidrittel drechseln, ein Drittel Werkzeug neu schärfen. Das uralte Holz ist tiefschwarz als Reaktion auf die im Wasser und Boden befindlichen Eisenionen und dem in der Eiche enthaltenen Gerbstoff.
Die Dose hat einen Durchmesser von 140 mm und eine Gesamthöhe mit Deckel von 20 mm. Die Eiche, die am Ende der jüngsten großen Eiszeit von großen Schmelzwassermassen im Urstromtal der Lahn verwirbelt und dann 10 000 Jahre luftdicht begraben und bei der Kiesgewinnung wieder geborgen wurde, verwandelt sich endgültig in ein schwarzes Kästchen für eine Pretiose aus Rot- und Weißgold.
So entstehen schöne Geschichten.

Grüße von Peter Gwiasda

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Rustikus
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Re: Geschichten veredeln unsere Werke

Beitrag von Rustikus »

Hallo Peter Gwiasda,

wenn man sich am Ende des Beitrags nicht sicher ist, ob einem Drechselobjekt oder Geschichte besser gefällt, dann ist es richtig gut - so wie hier. Danke für's Zeigen und danke für's Erzählen.

Freundl. Grüße,
Bernhard
Gibt es eine vergnüglichere Herausforderung als ein Stück Holz?
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Erick
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Re: Geschichten veredeln unsere Werke

Beitrag von Erick »

Hallo Peter
Deine Dose und die Geschichte dazu regen mich an, auch mal wieder etwas aus Mooreiche zu drechseln. Ich habe auch noch ein paar Brocken Mooreiche auf Lager die so stark verkieselt sind, daß das bearbeiten stresst weil sehr schnell die Werkzeugschneinden regelrecht platt sind nach wenigen Schnitten. Ist das Alter Deiner Mooreiche bestimmt worden?
Gruß Erick
Peter G
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Re: Geschichten veredeln unsere Werke

Beitrag von Peter G »

Hallo Erick,

ich erinnere mich, dass der Verkäufer der Eichenhölzer damals vor 30 Jahren von einer dendrochronologischen Analyse berichtete. Welches Institut diese durchführte, habe ich leider nicht festgehalten.

Der Hohenheimer Jahrringkalender umfasst über 12 000 Jahre. Er ist ein dendrochronologisches Projekt des Institutes für Botanik an der Universität Hohenheim in Stuttgart. Das Jahrringlabor des Instituts hat eine Chronologie der Jahrringe von Bäumen verschiedenen Alters aufgebaut, die sich lückenlos von 10.461 v. Chr. (Stand 2004) bis heute erstreckt. Dieser Jahrringkalender umfasst so die gesamte Zeitspanne des Holozäns und reicht bis zur Endphase der letzten Eiszeit zurück. Damit ist er der zurzeit längste Jahrringkalender der Welt. Dazu wurden Holzproben aus Mitteleuropa, darunter 6.000 Mooreichen und Kiefern aus Kiesgruben verschiedener Regionen Süd- und Ostdeutschlands, untersucht.

Übrigens unterscheiden die Fachleute zwischen fossilen Hölzern aus Mooren und aus Fluss-Sedimenten, die Flusseichen enthalten mehr Silikate, stumpfen also unsere Stähle schneller ab.

Zeig' mal wieder was aus Mooreiche, bittet mit freundlichen Grüßen

Peter Gwiasda
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