Das "Blaue Forum" ist fantastisch bunt

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Peter G
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Das "Blaue Forum" ist fantastisch bunt

Beitrag von Peter G »

Besser zu früh als zu spät. Weil ich in den nächsten Tagen keine Zeit habe, schreibe ich schon mal heute die Kolumne für August.

Das „Blaue Forum“ ist fantastisch bunt

Von Peter Gwiasda

In den Monats-Kolumnen soll es immer irgendwie um unser Hobby, um Holz, um unsere Werkstätten und vor allem um uns gehen, also um die Mitglieder dieses Forums. Das Forum ist eine virtuelle Gemeinschaft von Menschen, die sehr unterschiedlich leben und denken. Es ist eine durch das Internet zufällig und beliebig zusammengewürfelte Gruppe von Frauen und Männern, in der Summe also ein fantastisch bunter Haufen. Wie ich darauf gerade jetzt komme? In Ermangelung eines originellen Themas für die neue Kolumne habe ich mich zu einem Spaziergang in die Vergangenheit dieses Forums gemacht. Und empfehle euch, es mir gelegentlich nachzumachen. Im Verlaufe der letzten Jahre sind durch uns intellektuelle Schätze zusammengetragen worden, die es immer wieder zu heben lohnt. Der Start ist einfach: Startseite aufrufen, auf den eigenen Namen und dann den „persönlichen Bereich“ anklicken und die „eigenen Beiträge anzeigen“. Warum? Weil somit die eigenen Aktivitäten der Vergangengeit wieder sichtbar und unsere Erinnerungen freigeschaltet werden. Und das ist spannend. Mein erster Beitrag beispielsweise stammt vom 20. Dezember 2013. Im Netz geht nichts verloren.

Da lese ich unter 2014 einen Beitrag von mir an Christine Wenzhöfer, der mich gerade heute mal wieder bestätigt:
„Liebe Christine,
ich würde ja auch gerne deine Werke bewerten, vor allem die aktuellen. Leider habe ich im Herbst 2013 öffentlich und heylig auf dein Drängen hin schwören müssen, niemals mehr deine Arbeiten vernehmlich zu loben. Was nun? In mir staut sich bedrohlich das Bedürfnis, wieder mal laut aussprechen zu dürfen, was ich schon vor Jahren und danach immer wieder (bis zum Verbot) verkündete: Du bist eine ungewöhnlich talentierte Drechslerin.“

Wir alle sind stolz auf Christine und bewerten ihren aktuellen Erfolg in den USA bei der Premier WoodArtAuctions als längst fällige Bestätigung.

Und dann surfe ich weiter, immer auf den eigenen Spuren und bin überrascht von der eigenen Vorstellung in diesem Forum:

„Weshalb drechsle ich? Weil ich während meiner Berufszeit als Journalist tief überzeugt war von der These, dass im Leben immer Kopf und Hand gleichermaßen gefordert, geübt, trainiert, konditioniert werden muss. Als ich dann vor über einem Jahrzehnt die Gnade der frühen Verrentung genutzt habe, bewies sich bis zum heutigen Tage die Klugheit dieser These vom multi-talentierten Menschen. Die wichtigste Erkenntnis dieser Leidenschaft lautet: In der Einsamkeit seiner Werkstatt wächst bei fast jedem (Hobby)Drechsler die Lust zur Geselligkeit. Deshalb sind die Drechsler die mit Abstand kommunikativsten Menschen.“

Und es wird immer spannender. Unser Freund Klaus-Gerd Kuhlmann berichtet über seine Frustationen bei Ausstellungen und über die Empfindungen bei offenkundiger Verweigerung von Anerkennung. Sein Beitrag ist ein literarischer Genuss. Er beschreibt im stringenten Fluss, was schon viele hundert Hobbydrechsler erlebt, durchlitten und vielleicht auch genossen haben.
Meine Antwort nach der Lektüre seines langen Textes: „Ich habe geschmunzelt, laut gelacht, heftig nachgedacht, habe mich erinnert an vergleichbare Erlebnisse, habe Trost gefühlt, nicht ein exklusives Opfer unerfüllter Träume zu sein, und schließlich erkannt, wie wertvoll es ist, Menschen wie dich zu kennen“.


Bei der weiteren Wanderung durch unser Forum entdeckte ich, dass ich schon 2017 frühweise Erkenntnisse ins grenzenlose Netz der Drechsler verbreitet habe:
„Auch im fortgeschrittenem Alter bestätigt sich, wonach wir Männer uns klug verhalten, der anderen Hälfte der Menschheit stets wohl zu gefallen. Konsequent halte ich mich daran und werde oft belohnt. Jüngst mit einem geradezu sündhaft leckeren Pflaumenkuchen mit Sahne! Wie kam das? Fast alle Frauen lieben Blumen, meine besonders. Also drechselte ich ihr drei Vasen aus Hölzern, die gerade da rumlagen und sich für diesen Zweck empfahlen. Sie sind jeweils zylindrisch ausgehöhlt und mit einem Glaseinsatz zwischen 60 und 65 mm Durchmesser versehen. Die beiden Kugelvasen bestehen aus Eibe und haben einen Durchmesser von 185 mm...usw. Der Aufwand hielt sich in Grenzen, will sagen, es ging schnell, die Freude war groß, und ich habe bei meiner Liebsten wieder Pluspunkte als Guthaben für das nächste von mir verursachte Malheur gehortet“.

Unser Forum ist offen und ehrlich und gekennzeichnet von gegenseitigem Respekt (klar, es gibt auch Ausreißer). Ein Beitrag von mir macht dies deutlich, ich wurde dafür nicht bestraft:
„...so sollte es häufiger sein: 719 Klicks, 29 Reflexionen zu einem Werkstück, jeweils sachlich und individuell begründet, ein breites Spektrum der Bewertung, freundlich und achtungsvoll. Damit ist eine Norm gesetzt. Ich möchte hier Josefs Dose mit Deckel kommentieren. Zum Dosenkörper fällt mir nicht wirklich Neues ein: attraktives Holz, handwerklich makellos bearbeitet und elegant in Form gebracht. Der Deckel als Verschluss dieses Gefäßes aber ist missraten, und zwar in beiden Varianten. Die erste Version als verzierter Telegrafenmast wurde schnell fast unisono vom Publikum verworfen. Ich finde, sie ist eine Zumutung für den Dosenkörper, sie steht in Größe und Form ohne Beziehung zu ihm. Der zweite Pinökel ist nicht wirklich harmonischer. Auch er ist zu lang, beliebig verziert, nicht einmal die klassische Tropfenform ist sichtbar. Die extreme Spitze wirkt wie ein Lanze und signalisiert: Vorsicht, Finger weg! Fass' mich nicht an!“


Mein Versuch, mich als Feminist in der Drechslerszene mit Fotos inmitten von drei drechselnden Frauen zu dekorieren, wird treffend wie folgt kommentiert:
„Peter, die Einführung einer Frauenquote beim Drechseln ist nur ein Werbegag der Händler.
Ich sehe schon den Bericht in der Emma mit den vier Sahnetorten auf dem Bankbett, die die netten Drechslerinnen dir mitgebracht haben. Das ist es, was dich vermutlich antreibt“.


Immer wieder berührend sind die mit Fotos illustrierten Ernteberichte über gemeinsame Exkursionen und Expeditionen in Gärten, Parks und Wäldern. Im Oktober 2015 ging es um die Flatterulme:
„Ein Trupp gieriger Drechsler befreite einen liebenswürdigen Förster aus dem Hessischen von einem Polter teils völlig verwachsener Flatterulmen. Jeder Sägewerker, Schreiner oder Zimmermann hätte sich angesichts dieser schrumpeliger Stämme voller Verachtung abgewandt. Weil fast nicht spaltbar, eignete sich dieses Problemholz nicht einmal für den Ofen. Aber wir griffen zu“.
Dramatische Fotoberichte gingen nach diesem Post ins www:
„Vor sechs Wochen noch patschnass vorgedreht, dann sorgsam entwässert und gestern endgültig bearbeitet. Das war ein Kampf, ein Wettlauf mit der Zeit. Denn während der Rotation auf der Bank und einem Schnitt in Etappen beidseitig von außen nach innen veränderte und verzog sich das Holz. Ich sah mich gezwungen, sogar in Etappen zu schleifen, und das, obwohl für mich die Holzbearbeitung mit Schleifmitteln prinzipiell und konkret ein Gräuel ist.
Weil die Faserstruktur dieses Holzes von Zentimeter zu Zentimeter wechselt, war auch ein sauberer Schnitt mit extrem geschärften Werkzeugen nicht möglich. Ich war geneigt, die Brocken hinzuwerfen, rang aber meinen faulen inneren Schweinehund nieder und beendete die Arbeit an einem Holz, dessen Struktur darin besteht, keine eindeutige zu haben. Angesichts des Formen- und Farbenreichtums dieses Holzes fühlte ich mich am Ende dennoch belohnt“..

Im „Blauen Forum“ ist es wie in allen Foren; die einen schreiben sich die Finger wund, die anderen konsumieren. Die Aufforderungen an die Sprachlosen, endlich auch mal etwas zu schreiben und zu zeigen, war nur gelegentlich erfolgreich:

„Hmm, also dann bring ich auch noch meinen Senf dazu“ oder

„ICH zeige was mir gefällt, ICH schreibe was ich mir denke, und wenn ICH mal nix schreibe, dann denk ich mir nix, und morgen werd ich mal meine werkstatt aufräumen es kommt ja besuch.
Gruß Daniel“

Die Kombination von Interaktion über den Bildschirm und Handschlag in der Werkstatt ist das Geheimnis einer täglich Menschen verbindenden kreativen Arbeit mit einem wundersamen Werkstoff. Und dabei ist nicht bedeutsam, täglich oder einmal in der Woche ein schriftliches Lebenszeichen zu geben. Ich empfinde im „Blauen Forum“ keinen Mangel.

(Und würde es begrüßen, wenn die von mir hier anläßlich eines Bummels durch die Vergangenheit gestreiften Themen aktuell kommentiert werden).
DirkM
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Direkt neben meiner Werkbank stand damals eine alte Drechselbank (ich tippe mal auf eine Geiger)auf der ich noch unter Aufsicht die ersten Schritte gemacht habe.
Nun habe ich meine eigene Werkstatt im Haus und suche beständig nach Möglichkeiten der Erweiterung bzw. Annektierung angrenzender Räumlichkeiten.
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Re: Das "Blaue Forum" ist fantastisch bunt

Beitrag von DirkM »

Peter,
Es ist mir eine große Freude deine Berichte,oder sagt man dazu eher Ergüsse, mit verstecktem oder oft auch offenkundig zur Sprache gebrachtem Witz und oder Ironie zu lesen.
Die oft begründete Kritik an der ein oder anderen Ausführung ist nie unter der Gürtlelline oder gar verletzend.Eigentlich gleicht es ja schon eher einem Ritterschlag mal von Dir zensiert zu werden.

Mach weiter so!

Gruß aus Brühl
Dirk
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PaRay
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Re: Das "Blaue Forum" ist fantastisch bunt

Beitrag von PaRay »

Lieber Peter,

ich war schon gespannt, was du uns im August servieren möchtest.Einen Fortsetzungsroman lesen, bei dem nur alle 4 Wochen eine neue Folge erscheint? Das ist irgendwie grausam. :-D
Glücklicherweise greifst du auch zwischendurch öfters zur Feder [sic]. Somit müssen wir nicht lange auf deine spritzigen Gedanken warten.

Da ich erst ein knappes Jahr hier im Forum aktiv bin, ist meine persönliche Zeitreise eher von kurzer Dauer, doch kann es auch interessant sein, einem Freund in die Vergangenheit zu folgen, auf das man ihn besser verstehen lernt.

Für die Zukunft freue ich mich schon auf zahlreiche, interessante Beiträge von dir und den Anderen, die bereit sind, ihre Meinung kund zu tun.

Beste Grüße
Paul
Was sich spannen lässt, geht auch zu drechseln :-D
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Josch
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Re: Das "Blaue Forum" ist fantastisch bunt

Beitrag von Josch »

Lieber Peter
Ich danke für diese erfrischende Geburtstagskolumne. Obwohl noch nicht August ist, habe ich sie schon gelesen. Erfrischend deshalb, weil wir Gewesenes hervorholen um es wieder in die Erinnerung zu rufen. Ich wünschte, es würde noch ein bisschen bunter, es würden noch mehr Beiträge oder Fragen von den "Unsichtbaren" kommen.
Einen schönen Tag wünscht
Joachim
Grüße vom Feierabenddrechsler Joachim
(www.feierabenddrechsler.de)
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Natres
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Re: Das "Blaue Forum" ist fantastisch bunt

Beitrag von Natres »

Hallo Peter,
mit Vergnügen habe ich deine sommerlichen Gedanken gelesen. :daf?r:
Deine Aufforderung, das Forum weiterhin bunt zu gestalten, will ich beherzigen und in Zukunft den einen oder anderen farbigen Beitrag beisteuern.
Beste Grüsse
Thomas
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