Die Glosse Februar 2020

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Drechselfieber
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Die Glosse Februar 2020

Beitrag von Drechselfieber »

Danke Peter für den Januarbeitrag, es war ein sehr guter Einstieg.
Bin gespannt auf die Februar-Glosse.
Gruss Hartmut

Nimmst du jemand mit auf deinen Weg, schau nicht auf den Reiter, sondern auf sein Pferd. Wenn dich der Reiter verlässt, kannst du das Pferd noch gebrauchen. (Buschläuferweisheit/Alaska)
Peter G
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Re: Die Glosse Februar 2020

Beitrag von Peter G »

Gedrechselte Gedanken – geschliffen formuliert


Tropenholz – Nein danke! Oder lieber doch?

Von Peter Gwiasda

Dieses rigorose Gebot war für mich früher verinnerlichte Überzeugung. Die kalte Wut packte mich bei der Lektüre von Berichten aus Indonesien über den ungebremsten Kahlschlag von Urwäldern. Die Nutzhölzer landeten in Europa und Japan für den Bau von Fenstern und Türen und für Grillkohle. Das Waldland Japan nutzte seine Wälder sehr schonend; nicht aus Respekt, sondern weil die Stämme aus Kalimantan so spottbillig geliefert wurden und heute noch werden. Skandalös war und ist die systematische Plünderung des südamerikanischen Regenwaldes unter dem Segen des amtierenden brasilianischen Regierungschefs, eines menschenverachtenden Militärkopfs. Die Beutezüge durch die letzten noch intakten Wälder in allen Erdteilen gehen unvermindert weiter, in den endlosen borealen Zonen Russlands, im Kongo, in Mittelamerika und so fort. Das ist schlimm und belastet mich und gewiss auch viele andere Holzfreunde.

Aber, jetzt kommt es – was bilden wir reichen Europäer uns eigentlich ein? Die Menschen in diesen Ländern machen doch genau das, was Europäer einst auch hemmungslos in den eigenen Wäldern angerichtet haben. Haben wir vergessen, in welch desaströsem Zustand sich unsere Wälder vor 200 Jahren und danach befanden?
Den riesigen Schaden haben wir notgedrungen durch eine nachhaltige Forstwirtschaft in Teilen wieder beseitigen können. Das gelang aber nur, weil Dielenbretter aus Pitchpine für die feinen Villen in Frankfurt aus Nordamerika bezogen wurden und weil die Engländer und Holländer feinste Mahagonistämme für Biedermeiermöbel aus ihren Kolonien in der Karibik nach Europa verschifften. Vielfach wurden diese Passagen verbunden mit dem verbrecherischen Export von geraubten Arbeitssklaven aus Westafrika.
Ich empfinde es als arrogant, wenn wir Europäer als Nutznießer dieses frühen globalen Systems der Ausbeutung uns heute erregen über den Verlust der Regenwälder in Südamerika und Zentralafrika. Ich stelle mir gerade vor, wie eine Gruppe mittelamerikanischer Förster (beispielsweise aus Costa Rica) bei einer Europa-Exkursion vergeblich europäischen Urwald sucht. Wir haben nur noch klägliche Reste und nennen unsere Fichten- und Kiefernplantagen Wald.

Wir (Hobby)Drechsler tragen so gut wie keine Schuld an den Verlusten der artenreichen natürlichen Wälder unseres Planeten. Unser Verbrauch an Edelhölzern ist wirklich marginal. Wir Drechsler können aber in unseren Kreisen und bei unseren öffentlichen Auftritten Menschen sensibilisieren für die offenkundigen Probleme. Wir können erklären, dass wir für unsere makellosen Tintenschreiber nur zertifiziertes Ebenholz verwenden und dass das Holz für die Schale aus Zirikote von einem seriösen Händler stammt, der dessen legale Herkunft belegen kann.
Deshalb meide ich heute den Schlachtruf “Tropenholz – Nein danke!“

Wenn es um Holz als den wertvollsten Rohstoff der Menschen geht, müssen wir lokal handeln und global denken. Die begehrten Edelhölzer aus Surinam gehören wie die Sibirische Lärche allen Menschen dieser Einen Welt. Lokal handeln bedeutet, bevorzugt lokal-regional gewachsenes Holz zu verwerten, was aber nicht ausschließt, in Indonesien nachhaltig angebautes Meranti zum Fensterbau zu verwenden. Somit profitieren auch dort Menschen vom Waldbau. In dieser Einen Welt verhökert Hessenforst containerweise Buche nach China. Der Welthandel mit Holz ist gigantisch. Seine ökologische Güte entscheidet maßgeblich über unser aller Zukunft. Als holzverarbeitende Drechsler genießen wir glaubwürdige Kompetenz.

Und zum Schluss: Man darf auch völlig anderer Ansicht sein. Eine lebhafte Debatte zum Thema wäre mein Herzenswunsch.
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Ralph
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Re: Die Glosse Februar 2020

Beitrag von Ralph »

Mein lieber Freund,

boreal: wieder was gelernt....

Zu Deinen Ausführungen:

Natürlich hast Du Recht, "lokal handeln, global denken" etc., die alte Aufteilung in alte, neue und dritte Welt war schon immer obsolet.

ABER: solange - in unseren Köpfen - zB Ebenholz als "Edelholz" und Fichte als billig beliebig gespeichert ist, wird sich nicht viel ändern. Das gilt für viele Bereiche, versuche mal die Schwiegermutter mit "Schnaps in Schokolade" von Gut und Günstig (statt Mon Cherie) zu befrieden: viel Spaß.

Fazit: beim Anpreisen nicht das Material sondern vielmehr den Enstehungsprozess in den Vordergrund stellen, "mit Liebe handgemacht" statt "teures Holz", nachhaltig, glutenfrei, Holz ausschließlich aus Boden- und Freilandhaltung usw.: die LOHAS werden es Dir danken

verregnete Grüße

:-) Ralph
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PaRay
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Re: Die Glosse Februar 2020

Beitrag von PaRay »

Hallo Peter,
am Thema vorbei und doch ein Treffer. Eine Glosse kann ich in deinem Beitrag nicht erkennen, dennoch hast du einige wahre Worte gesprochen.
Da es in unserer lieben BRD laut Experten weniger als 100 verschiedene Baumarten gibt, meint so mancher auf Exoten aus anderen Erdteilen zurück greifen zu müssen.
Auch wenn es weltweit die unglaubliche Vielfalt von ca. 60.000 Baumarten gibt, darf man nicht vergessen, dass es darunter auch sehr viele vom Aussterben bedrohte Arten gibt.
Im brasilianischen Urwald zum Beispiel sind rund 45% aller Arten edemisch und bedroht.
Doch warum in die Ferne schweifen? Auch wir haben heimische Exoten. Zitat: "Zu den seltensten Baumarten in Deutschland gehören die Wildobstarten wie Wildapfel, Elsbeere und Speierling sowie die Flaumeiche (Quercus pubescens). Schon mal gehört?" (Quelle: ntv.de, Georg-Stefan Russew, dpa)
Nachdenkliche Grüße
Paul
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Re: Die Glosse Februar 2020

Beitrag von h.-jürgen kelle »

Hallo Peter,

Danke für deinen Beitrag. Du sprichst mir aus der Seele.
Einen schönen Sonntag.

Gruß vom Weserbogen
Jürgen
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badener
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Re: Die Glosse Februar 2020

Beitrag von badener »

Moin Peter,

Für mich mal wieder total ins " SCHWARZE " getroffen mit deinem Beitrag. :.:

Und wenn sich jetzt ein Mancher hinterfragt, dann haste mit diesem Thema enorm viel erreicht.

Es grüßt dich dein Fan Fritz
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Re: Die Glosse Februar 2020

Beitrag von Faulenzer »

Hallo Peter,

da ist diesen Monat irgendwie deine Glosse an mir vorbeigegangen.

Dabei hast du wieder ein interessantes Thema angesprochen.

Ich für mich benutze fast nur einheimisches Holz. Exotenholz habe ich natürlich
auch, meistens geschenkt bekommen, aber nur in homöopathischen Dosen.

Es gibt soviel schönes und unterschiedliches hier gewachsenes Holz, nutzt es. :prost:
Gruß Frank

Halbbretonischer Wusel
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Re: Die Glosse Februar 2020

Beitrag von drechselede »

Hallo Peter,

du warst und bist ein Vorbild aller Drechsler.

:danke:
Grüße aus Königsau im schönen Kellenbachtal
Edgar
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Drechselfieber
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Re: Die Glosse Februar 2020

Beitrag von Drechselfieber »

Bevor der Monat vorbei ist.
Debatieren kann ich bei diesem Thema nicht.

Der Text könnte aus einen Kundenvortägen stammen, die auf die Frage: "Haben Sie auch Tropenhölzer?" folgt.

Schade, wenige der Fragenden haben im Leben einen Baum gepflanzt und wenn dann nur im eigenen Vorgarten.
Wenn der dann stört, muss er auch wieder weg.
Gruss Hartmut

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PaRay
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Re: Die Glosse Februar 2020

Beitrag von PaRay »

Drechselfieber hat geschrieben: Freitag 28. Februar 2020, 09:38
Schade, wenige der Fragenden haben im Leben einen Baum gepflanzt und wenn dann nur im eigenen Vorgarten.
Da kann ich nur empfehlen als Suchmaschine nicht google sondern ecosia.org zu installieren. Mit Suchanfragen das Anpflanzen von Bäumen fördern. Bisher über 85.000.000 !!!
Beste Grüße
Paul
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